Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. Infektionskrankheit. besonders gefährdete Berufsgruppe. erhöhtes Infektionsrisiko. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis. Stadtreiniger. Leeren von öffentlichen Abfallbehältern. Kanülen im Drogenmilieu
Orientierungssatz
Zur Nichtanerkennung einer chronischen Hepatitis-C-Erkrankung eines Stadtreinigers, der auch in Stadtteilen im Drogenmilieu Müllbehälter mit Spritzen entleeren musste, als Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 3101 mangels Nachweises der haftungsbegründenden Kausalität (hier: eines unmittelbaren oder mittelbaren Kontakts zu einer infizierten Spritze).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliegt und ihm wegen deren Folgen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren sind.
Der im XXX. 1957 in Ägypten geborene Kläger war seit November 1989 als Entsorger bei der Hamburger Stadtreinigung beschäftigt. Er war unter anderem in den Stadtteilen St. P. und St. G. eingesetzt. Zu seinen Aufgaben gehörte neben anderen Tätigkeiten auch die Entleerung der öffentlichen Abfallkörbe.
Im Mai 1995 wurde bei dem Kläger eine Hepatitis-C-Infektion festgestellt, die nach den vorhandenen Unterlagen im Juli 1991 noch nicht vorgelegen hatte. Der Infektionsbeginn wurde dementsprechend mit weniger als 4 Jahre zurückliegend vermutet. Mit seinem Antrag auf Anerkennung dieser Erkrankung als Berufskrankheit vom 17. Dezember 1997 machte der Kläger geltend, er habe sich während seiner beruflichen Tätigkeit von Juli 1991 bis Anfang 1995 mehrere Kanülenstichverletzungen beim Zusammenpressen von Müllbeuteln zugezogen, in denen sich Spritzen befunden hätten. Eine ärztliche Behandlung sei wegen dieser Verletzungen jedoch nicht durchgeführt worden. Aktenkundig ist lediglich eine am 29. Oktober 1997 ärztlich behandelte Kanülenstichverletzung.
In ihrer Stellungnahme vom 30. März 1999 führte die Staatliche Gewerbeärztin aus, ein Unfall in Form einer Kanülenstichverletzung lasse sich für den Zeitraum von 1991 bis 1996 nicht feststellen. Da der Kläger nicht einem Personenkreis mit erhöhter Infektionsgefährdung angehöre, könne seine Erkrankung auch nicht als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV anerkannt werden. Andererseits sei es wahrscheinlich, dass er sich die Infektion durch die berufliche Tätigkeit zugezogen habe. Beklagte und Arbeitgeberin sollten ein Verfahren entwickeln, welches Kanülenstichverletzungen bei Straßenreinigungstätigkeiten in einschlägig bekannten Stadtvierteln weitgehend vermeiden würde. Unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Mai 1999 und Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2002 die Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit und die Gewährung von Leistungen ab.
Während des nachfolgenden Klageverfahrens hat der vom Sozialgericht zum medizinischen Sachverständigen bestellte Arbeitsmediziner Dr. P1 im Termin am 12. Mai 2005 ausgeführt, das Risiko, durch berufsbedingten Kontakt mit Blut oder anderen Sekreten an einer Hepatitis C zu erkranken, sei selbst für Beschäftigte im Gesundheitswesen nur in besonderen Risikobereichen belegt. Für ein generell erhöhtes Hepatitis-C-Risiko der Berufsgruppe der Müllentsorger gebe es keine wissenschaftlichen Indizien. Nach den vorliegenden Erkenntnissen liege das Infektionsrisiko für Hepatitis C nach Stichverletzungen mit entsprechend infizierten Nadeln nur bei ca. 2 % und damit um den Faktor 10 niedriger als das Risiko bei Hepatitis B. Im Übrigen ließen sich nach den vorliegenden Daten in 30 bis 50 % aller Fälle Hepatitis-C-Erkrankungen nicht auf eine definierte Ursache zurückführen.
Durch sein Urteil vom 12. Mai 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des medizinischen Sachverständigen bestünden bereits Zweifel, ob der Kläger durch seine Tätigkeit als Entsorger einer besonderen Gefahr ausgesetzt gewesen sei. Selbst wenn man aber diese Frage bejahen würde, könnte im vorliegenden Falle keine Berufskrankheit anerkannt werden, weil nämlich völlig ungeklärt sei, wann und wo der Kläger sich mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert habe. Es fehle jeglicher Nachweis hinsichtlich eines Übertragungsweges durch den Stich mit einer infizierten Spritze. Da bei 30 bis 50% der Hepatitis-C-Erkrankungen die Ursache ungeklärt sei, könne auch bei dem Kläger nicht einfach unterstellt werden, dass die Infektion durch eine Spritze erfolgt sein müsse.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 15. August 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. September 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er auf die eingereichte ärztliche Stellungna...