Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilung. Rechtmäßigkeit der Festsetzung regionaler Punktwertzuschläge auf den Orientierungswert
Orientierungssatz
Die Festsetzung regionaler Punktwertzuschläge auf den Orientierungswert verstößt weder gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB 5 noch gegen den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung (§§ 87a Abs 2, 87d SGB 5) oder gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs des beklagten Landesschiedsamtes, der die vertragsärztliche Honorarvereinbarung 2013 betrifft.
Die Beigeladene und die Klägerinnen verhandelten Ende des Jahres 2012 erfolglos über die vertragsärztliche Honorarvereinbarung für das Jahr 2013. Nachdem die Beigeladene die Verhandlungen am 20. November 2012 für gescheitert erklärt hatte, rief sie am 12. April 2013 den Beklagten an, gem. § 89 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) die Vergütungsvereinbarung für das Kalenderjahr 2013 im kassenartenübergreifenden Schiedsverfahren festzusetzen.
In dem Verfahren vor dem Beklagten kam eine Einigung zwischen den Klägerinnen und der Beigeladenen nicht zustande. Zwischen den Verhandlungspartnern war unter anderem die Festsetzung eines Zuschlags auf den Orientierungswert gemäß § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V streitig. Während die Beigeladene einen Zuschlag aufgrund der ungünstigen Kostensituation in Hamburg forderte, lehnten die Klägerinnen einen Zuschlag unter Hinweis auf die Besonderheiten der Versorgungsstruktur und insbesondere einer in Hamburg bestehenden Überversorgung sowie des ihrer Ansicht nach nicht erhöhten Kostenniveaus in Hamburg ab.
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. August 2013 traf der Beklagte unter anderem folgende Regelung zur Honorarvereinbarung 2013:
“...
2. Der Punktwert zur Berechnung der regionalen Euro-Gebührenordnung (Anlage 1 zu dieser Vereinbarung) beträgt für die Zeit vom 1.1.2013 bis zum 30.9.2013 3,6099 Cent. Er ergibt sich als regionaler Punktwert aus dem um einen Zuschlag von 0,0736 Cent erhöhten bundeseinheitlichen Orientierungspunktwert.
Für die Zeit ab 1.10.2013 bis zum 31.12.2013 beträgt der Punktwert zur Berechnung der regionalen Euro-Gebührenordnung (Anlage 2 zu dieser Vereinbarung) 10,2083 Cent. Er ergibt sich als regionaler Punktwert aus dem um einen Zuschlag von 0,2083 Cent erhöhten bundeseinheitlichen Orientierungspunktwert von 10 Cent (BA-Beschluss, 304. Sitzung am 19.4.2013, Ziffer I).
...„
Zur Begründung wies der Beklagte darauf hin, mit dem Zuschlag regionale Besonderheiten bei der Kostenstruktur zu berücksichtigen. Die Befugnis dazu ergebe sich aus § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V. Mit dieser Vorschrift verfolge der Gesetzgeber das Ziel, landesbezogenen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur Rechnung zu tragen. Die Vertragspartner seien auch nicht länger verpflichtet, bei ihren Punktwertverhandlungen vom Bewertungsausschuss festgelegte Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten der Kostenstruktur zu beachten. Das gesetzgeberische Konzept zur Berücksichtigung individueller Besonderheiten der Kostenstruktur habe sich nach dem zwischenzeitlichen Wegfall des gesetzlichen Verbotes von Zuschlägen erst seit 2013 realisieren lassen. Die bei diesem “Umstieg„ zu berücksichtigenden Unterschiede in der Höhe arztpraxisrelevanter Kosten in Hamburg richteten sich nicht nach den unterschiedlichen Veränderungsraten im Vergleich mit dem Vorjahr, sondern nach den zur Zeit bestehenden Differenzen im Sockel. Nur so könne verhindert werden, dass die Unterschiede auf Dauer fortgeschrieben werden würden. Die Kosten einer städtischen Hamburger Arztpraxis seien signifikant höher als im bundesdurchschnittlichen Stadt-Land-Mix. Das Niveau arztpraxisrelevanter Kosten ließe sich schätzen. Es könne auf amtliche Indikatoren wie Arbeitnehmerentgelte, Bruttoinlandsprodukt, Bruttolöhne und -gehälter sowie das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen zurückgegriffen werden. Danach dürften die arztpraxisrelevanten Kosten in Hamburg die bundesdurchschnittlichen um etwa 15 % überstiegen. Das gelte jedenfalls für Personalkosten und Mieten, die ca. 30% der Praxiskosten ausmachten. Der Beklagte halte wegen der höheren Praxiskosten in Hamburg einen Zuschlag auf den Orientierungswert 2013 für notwendig, begrenze ihn aber auf 3 %. Maßgeblich dafür sei zum einen der Umstand, dass Hamburg offensichtlich für Ärzte und Psychotherapeuten ein betriebswirtschaftlich attraktiver Standort sei. Zum anderen sei der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu berücksichtigen (§ 71 Abs. 1 - 3 SGB V). Zwar sei die Grundlohnsumme nur um 2,03 % gestiegen, doch verstieße die leichte Überschreitung des festgesetzten regionalen Punktwertes nicht gegen die in § 71 Abs. 2 SGB V gezogene Grenze, da auch der Gesetzgeber selbst den Grun...