Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Wiederaufnahmeklage im Streit um Grundsicherungsleistungen. Bescheinigung eines Finanzamtes zur steuerrechtlichen Beurteilung einer Tätigkeit als Urkunde zur Begründung eines Wiederaufnahmeantrags
Orientierungssatz
Die Wiederaufnahme eines sozialgerichtlichen Verfahrens über den Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende als ergänzende Leistungen neben einer Erwerbsarbeit kann nicht darauf gestützt werden, dass dem Betroffenen nachträglich eine Bescheinigung des Finanzamtes über die steuerrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit zuging. Denn eine solche Bescheinigung des Finanzamtes stellt keine Urkunde dar, die einen Wiederaufnahmeantrags rechtfertigt, da sie jedenfalls aus sich heraus keine Tatsachen in Bezug auf das Einkommen beweist.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Klageverfahrens S 32 AS 2701/13 unter Hinweis auf eine nach Abschluss des Verfahrens erlangte Bescheinigung des Finanzamtes zur steuerrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit für eine Musikschule.
Der 1953 geborene Kläger ist als freiberuflicher Musiker selbständig tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit absolvierte er verschiedene Auftritte als Musiker und begleitete unter anderem seit Februar 2003 als Pianist einen Gospelchor bei der Musikschule der Samtgemeinde H. als freier Mitarbeiter.
Neben seiner selbständigen Tätigkeit beantragte er ab Mai 2012 aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten.
Durch Bewilligungsbescheid vom 13. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. Juli 2012 bewilligte der Beklagte zunächst vorläufige Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2012 in Höhe von monatlich 891,28 EUR. Nach Abzug der Freibeträge war darin kein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit mehr angerechnet worden. Nachdem der Kläger seine Gewinn- und Verlustrechnungen (Anlage EKS) bei dem Beklagten einreichte, führte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 eine endgültige Leistungsberechnung durch und forderte vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2012 zunächst einen Betrag von 900,18 EUR zurück.
Auf den Widerspruch des Klägers hob der Beklagte diesen Bescheid auf und berechnete die Leistungen erneut mit Bescheid vom 9. April 2013. Mit Erstattungsbescheid vom 9. April 2013 forderte der Beklagte vom Kläger die Erstattung von insgesamt 680,58 EUR.
Mit seinem Widerspruch vom 15. April 2013 wandte er unter anderem ein, dass die Berechnung des Beklagten nicht nachvollziehbar sei und begehrte die Berücksichtigung von weiteren Betriebsausgaben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Es seien die Einkünfte aus der Tätigkeit des Klägers als Übungsleiter und darüber hinaus seine Überschüsse aus selbständiger Tätigkeit als Musiker zu berücksichtigen. Dabei nahm der Beklagte an, dass dem Kläger für die Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Übungsleiter an der Musikschule H. in den Monaten Juni bis August und Oktober 2012 ein erhöhter Grundfreibetrag in Höhe von 175,00 EUR nach der Regelung des § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II zu gewähren sei. Die Rückforderung berechne sich aus der Differenz zwischen den vorläufig bewilligten und den endgültig bewilligten Leistungen. Dabei errechne sich eine Überzahlung in Höhe von 1.117,30 EUR. Die in dem angefochtenen Bescheid errechnete Erstattungsforderung von 680,58 EUR läge deutlich unter dieser Summe, so dass der Widerspruchsführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt gewesen sei.
Der Kläger erhob am 27. August 2013 Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 1. August 2013 und begehrte eine höhere endgültige Festsetzung der Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis zum 31. Oktober 2012 und eine entsprechende niedrigere Erstattungsforderung (Az. S 32 AS 2701/13). Die Beteiligten stritten im Wesentlichen um die Höhe der abzusetzenden Betriebsausgaben und die Berücksichtigung von Freibeträgen. Der Kläger begehrte insbesondere höhere Freibeträge gemäß § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II für seine Tätigkeit als Übungsleiter zu berücksichtigen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Januar 2016 wurde der Kläger u.a. darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Sozialgerichtes nicht nachgewiesen sei, dass es sich bei der Tätigkeit für die Musikschule um eine privilegierte Übungsleitertätigkeit im Sinne von § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II handele.
Durch Urteil vom 15. April 2016 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten, dem Kläger für die Monate Juli und Oktober 2012 jeweils 801,17 EUR statt 764,82 bzw. 755,82 EUR zu gewähren und die Erstattungsforderung auf 598,28 EUR zu reduzieren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In dem nicht berufungsfähigen Urteil hieß es, ein erhöhter Freibetrag für eine Übungsleitertätigkeit n...