Orientierungssatz

1. Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses für eine stationäre Behandlung des Versicherten richtet sich nach §§ 109 Abs. 4 S. 3 SGB 5, 17b Abs. 1 S. 10 KHG, 2 Abs. 2 Nr. 2 und 7 Krankenhausentgeltgesetz i. V. m. dem Fallpauschalen-Katalog.

2. Bei Kodierung eines Lungenkarzinoms als Hauptdiagnose und eines akuten Nierenversagens als Nebendiagnose ist bei Reduktion der Urinausscheidungsmenge der Vergütungsanspruch des Krankenhauses entsprechend dem Kode ICD 10-Kodes N 17 zu bestimmen.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichtes verurteilt, an die Klägerin 3.897,80 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozent seit dem 25.10.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kosten einer stationären Krankenhausbehandlung.

Der zum Aufnahmezeitpunkt 75-jährige Versicherte befand sich vom 15.04. bis zu seinem Tod am xxxxx2016 in vollstationärer Krankenhausbehandlung im Hause der Klägerin. Er wurde notfallmäßig wegen Atemnot und Auswurf eingeliefert. Die Klägerin kodierte als Hauptdiagnose ein Lungenkarzinom (C34.1:R) sowie als Nebendiagnose u.a. akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet: Stadium I (N17.91).

Die Klägerin stellte der Beklagten den Aufenthalt mit insgesamt 6.102,84 € in Rechnung. Diesen Betrag zahlte die Beklagte auch zunächst.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) wurde sodann von der Beklagten mit einer Fallprüfung beauftragt und kam in seinem Gutachten vom 17.10.2016 zu dem Ergebnis, dass die Nebendiagnose N17.91 medizinisch nicht nachvollziehbar kodiert sei, da bei Aufnahme zwar ein erhöhtes Kreatinin vorgelegen habe (1,8 mg/dl), der darauffolgende Abfall auf 0,9 mg/dl (2. Blutabnahme am 18.04.2016) aber nach Infusionsgabe bei Exsikkose zu verzeichnen gewesen sei. Damit seien die Kriterien nach adäquater Flüssigkeitszufuhr nicht mehr erfüllt und es sei auch keine klinische Wertung als akutes Nierenversagen erfolgt.

Sodann verrechnete die Beklagte am 24.10.2016 einen Teilbetrag i.H.v. 3.897,80 € mit einem anderen unstreitigen Behandlungsfall.

Daraufhin hat die Klägerin am 13.02.2017 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Die Exsikkose habe zwar wahrscheinlich eine Rolle gespielt, entscheidend sei aber, dass ein akutes Nierenversagen vorgelegen habe. Der Text der Kodierrichtlinie könne nicht so interpretiert werden, dass alle Fälle, bei denen ein mehr oder weniger ausgeprägter Volumenmangel vorliege, nicht als akutes Nierenversagen verschlüsselt werden könnten.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Herrn Dr. med. S., Facharzt für Innere Medizin. Dieser hat in seinem Gutachten vom 18.06.2017 ausgeführt, dass ein passageres Nierenversagen vorgelegen habe, obgleich in Bezug auf den anzunehmenden Kreatininanstieg keine Vorwerte vorhanden gewesen seien und die Urinausscheidung nicht gemessen worden sei. Dieses sei aber lediglich Ausdruck der Exsikkose gewesen und als einzige therapeutische Maßnahme sei eine Volumengabe durchgeführt worden, woraufhin sich die Nierenfunktion binnen 3 Tagen vollständig normalisiert habe. Das ergebe sich auch aus dem ärztlichen Abschlussbericht („akutes prärenales Nierenversagen bei Exsikkose“). Die vom Krankenhaus kodierte Nebendiagnose E86 (Volumenmangel) bilde daher aus seiner Sicht das Krankheitsbild und den Ressourcenverbrauch korrekt ab.

Die Parteien haben sodann zum Sachverständigengutachten Stellung genommen. Die Beklagte hat sich in ihrer Argumentation bestätigt gesehen, während die Klägerin gemeint hat, der Sachverständige habe ein akutes Nierenversagen bestätigt und die Abgrenzung in den Kodierrichtlinien „adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt“ beziehe sich lediglich auf die Reduktion der Urinausscheidungsmenge und schließe ein akutes Nierenversagen bei Exsikkose nicht aus. Seit 2017 sei in den Kodierrichtlinien nunmehr geregelt, dass das Stadium I bei Exsikkose nicht als erlösrelevante Nebendiagnose verschlüsselt werden dürfe, wohl aber höhere Stadien, woraus im Umkehrschluss folge, dass bis Ende 2016 auch ein Nierenversagen bei Exsikkose zu verschlüsseln gewesen sei. Da im konkreten Fall aber ohnehin eigentlich Stadium 2 hätte kodiert werden sollen (N17.92), dürfe sich eine Diskussion erledigt haben.

Das Sozialgericht hat abschließend eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 27.09.2017 eingeholt, in welcher dieser bei seinen bisherigen Ausführungen geblieben ist.

Sodann hat das Sozialgericht die Klage durch Urteil vom 25. Juni 2021 abgewiesen. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, den zur Vergütung des vorliegenden Behandlungsfalls gezahlten Betrag im Oktober 2016 aufzurechnen, da ein Rückforderungsanspruch bestanden habe. Der Vergütungsanspruch der Klägerin für die im April 2016 durchgeführte Krankenhausbehandlung des Versicherten stütze sich seinerseits auf § 109 Abs. 4 S. 3 Sozialgesetzbuc...

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