Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsfestsetzung bei einem freiwilligen Mitglied der Krankenversicherung, das hauptberuflich selbständig tätig ist
Orientierungssatz
1. Der Nachweis der beitragspflichtigen Einnahmen bei hauptberuflich Selbständigen erfolgt ausschließlich durch Vorlage eines Einkommensteuerbescheides. Dies bedeutet, dass die tatsächlich erzielten Einnahmen jeweils nur zeitversetzt zugrunde gelegt werden können. Denn der steuerrechtlich maßgebliche Gewinn steht nicht vor Schluß des Kalenderjahres fest. Eine Änderung ist erst dann nachgewiesen, wenn sie aufgrund eines neuen Einkommensteuerbescheides feststeht. Dies gilt sowohl für die nachgewiesene Erhöhung als auch für die nachgewiesene Verringerung von Einnahmen.
2. Will die Krankenkasse als Einzugsstelle sich offenhalten, später nachgewiesene höhere Einnahmen auch rückwirkend zu berücksichtigen, so muss sie zu Beginn der selbständigen Tätigkeit die Beiträge nur vorläufig durch einstweiligen Bescheid festsetzen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Februar 2010 und der Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2008 abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, ihren Bescheid vom 21. Januar 2005 zurückzunehmen, soweit hierdurch Beiträge auf der Grundlage höherer Einnahmen als der Mindestbeitragsbemessungsgrenze für Selbständige festgesetzt worden sind. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der vom Kläger geschuldeten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in der Zeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007.
Der 1973 geborene Kläger nahm am 22. Dezember 2003 eine selbständige Tätigkeit als EDV-Berater auf. Seit dem 1. Januar 2004 ist er freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1. und versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 2. In der Zeit vom 22. Dezember 2003 bis 21. Dezember 2006 erhielt er einen Existenzgründungszuschuss von der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von monatlich EUR 240.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2004 bestätigte die Beklagte zu 1. ihm die Mitgliedschaft und teilte gleichzeitig mit, dass er auf der Grundlage der Mindestbemessungsgrundlage für selbständig Tätige monatliche Beiträge in Höhe von EUR 249 zur Krankenversicherung und in Höhe von EUR 30,80 zur Pflegeversicherung zu entrichten habe. Dieser Bescheid wurde nicht angefochten.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2005 teilte die Beklagte zu 1. ihm mit, dass seine monatlichen Einkünfte auf EUR 3.525 geschätzt würden, da er trotz mehrfacher Erinnerung keine Einkommensnachweise übersandt habe. Die monatlichen Beiträge beliefen sich daher ab 1. Februar 2005 auf EUR 486,46 zur Krankenversicherung und EUR 68,74 zur Pflegeversicherung. Auch dieser Bescheid wurde nicht angefochten.
Am 1. Oktober 2007 wandte sich der Kläger per E-Mail an die Beklagten und beanstandete, dass seit Februar 2005 ein zu hoher monatlicher Beitrag abgebucht werde. Er bitte daher um Überprüfung und Rückzahlung. Auf Anforderung der Beklagten übersandte er sodann am 30. November 2007 seine Einkommensteuerbescheide für 2003 vom 13. Oktober 2005, für 2004 vom 23. Mai 2006 und für 2005 vom 20. September 2007. Daraus ergaben sich für 2003 Einkünfte in Höhe von EUR 6.404, für 2004 in Höhe von EUR 13.320 und für 2005 in Höhe von EUR 23.418. Des Weiteren übersandte der Kläger einen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit über die Bewilligung des Existenzgründungszuschusses.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2007 setzte die Beklagte zu 1. auch im Namen der Beklagten zu 2. die Beiträge ab 1. Januar 2008 zunächst weiterhin auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze fest. Der Kläger erhob dagegen Widerspruch.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2008 teilten die Beklagten ihm mit, dass seine Beiträge ab Januar 2004 zunächst unter Berücksichtigung der Mindestbemessungsgrundlage für selbständig Tätige festgesetzt worden seien. Eine geringere Beitragseinstufung sei seinerzeit nicht möglich gewesen, da noch kein Nachweis für den Existenzgründungszuschuss vorgelegen habe. Nachdem der Kläger auf Einkommensanfragen nicht reagiert habe, sei sein Einkommen auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze geschätzt und der monatliche Beitrag dementsprechend festgesetzt worden. Erst am 30. November 2007 habe er die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2005 sowie den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit über den bewilligten Existenzgründungszuschuss übersandt. Für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Januar 2005 könne aufgrund des nunmehr nachgewiesenen Existenzgründungszuschusses der Monatsbeitrag unter Zugrundelegung der Mindestbemessungsgrundlage für Existenzgründer ermäßigt werden. Darüber hinaus komme eine Anpassung der Beiträge an das tatsächliche Einkommen nur zum ersten Tag ...