Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation (hier: Adaptionsbehandlung im Anschluss an eine Drogenentwöhnungstherapie aufgrund einer Alkoholabhängigkeit). Notwendigkeit ständiger ärztlicher Verantwortung. Einzelfallabhängigkeit. Bewertung nach Einrichtungsangebot und vor allem dem konkretem Inhalt der Maßnahme
Orientierungssatz
1. Versicherte haben gegen ihre Krankenkasse nur dann Anspruch auf stationäre medizinische Rehabilitation, wenn diese notwendig unter ständiger ärztlicher Verantwortung durchgeführt werden muss und dabei nicht lediglich die Gewährung von Unterkunft in einem nicht gefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderungen im Vordergrund stehen soll (vgl BSG vom 26.6.2007 - B 1 KR 36/06 R = BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4 und vom 19.6.2018 - B 1 KR 87/17 B).
2. Aus den vorgenannten Entscheidungen ergibt sich, dass die Frage, ob es sich bei einer Adaptionsbehandlung im Anschluss an eine Drogenentwöhnungstherapie um eine medizinische Rehabilitationsleistung mit Zuständigkeit der Krankenkassen nach dem SGB 5 handelt, nicht allgemein beantwortet werden kann.
3. Es bedarf jeweils einer individuellen Prüfung des Einzelfalls und dabei einer Bewertung sowohl des Angebots der Einrichtung, in der die Adaptionsbehandlung erbracht wird, als auch und vor allem des Inhalts der konkret zu beurteilenden Maßnahme.
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert wird für das Klage- und das Berufungsverfahren auf 19.114,30 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Adaptionsmaßnahme.
Der 1956 geborene, langjährig alkoholabhängige R.T. (im Folgenden: Versicherter) bezieht seit 2013 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, jedenfalls im streitigen Zeitraum aufgestockt durch Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Er ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert und befand sich zu deren Lasten im Zeitraum vom 5. bis zum 15. Dezember 2014 im B. zur wiederholten stationären Entgiftungsbehandlung und anschließend im zum S. (S.) H. gehörenden Haus O. in B1 zur stationären Vorsorge. Von dort aus wurde eine stationäre Entwöhnungsbehandlung beantragt, die dann im Zeitraum vom 27. April bis zum 18. August 2015 ebenfalls zu Lasten der Beklagten in der Fachklinik H1 des S.H. erfolgte.
Am 30. Juli 2015 beantragte der Versicherte mit Hilfe der Fachklinik H1 bei der Beklagten auf einem Formular der Deutschen Rentenversicherung („Antrag auf Verlängerung einer Leistung oder Änderung der Leistungsform zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke“) die „Weiterführung“ der stationären Entwöhnungsbehandlung „als Adaption“. Beigefügt war eine ärztliche Stellungnahme, wonach der Versicherte weiterführende professionelle Unterstützung in einer suchtmittelfreien Umgebung benötige. Dies bilde die Voraussetzung für eine erfolgreiche soziale und berufliche Eingliederung. Die Bearbeitung der Themen, die er im Verlauf der Behandlung begonnen habe, sei nicht abgeschlossen. Noch immer falle es dem Versicherten schwer, sich anderen gegenüber mit seinen echten emotionalen Inhalten zu öffnen und anzuvertrauen. Sich auf diesem Wege anstatt durch Rückzug und Suchtmittelkonsum in Krisen zu entlasten, müsse sich als Verhaltensmuster noch weiter stabilisieren. Die Suche nach geeignetem neuen Wohnraum - der Versicherte war seit Längerem ohne festen Wohnsitz und zuletzt vor Beginn der stationären Krankenhausbehandlung in einem Männerwohnheim untergekommen - werde Zeit benötigen. Auch dafür biete die stationäre Adaption den geeigneten Rahmen. Darüber hinaus könne der Versicherte dort weitere Schritte in Richtung seiner beruflichen Orientierung unternehmen. Seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Waldhilfsarbeiter könne er nicht mehr bewältigen.
Die Beklagte leitete den Antrag noch am selben Tag an die Klägerin weiter.
Die Adaptionsmaßnahme wurde im Zeitraum vom 18. August 2015 bis zum 16. Februar 2016 von der T. (T.) durchgeführt. Die Kosten in Höhe von kalendertäglich zunächst 101,00 Euro (bis zum Jahresende 2015) und dann 104,00 Euro (ab Anfang 2016) trug vorläufig die Klägerin, die jedoch mit Schreiben vom 1. und 30. September 2015 gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch anmeldete.
Die Beklagte lehnte diesen ab, da es sich bei der Maßnahme nicht um eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme im Sinne des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) handle. Eine Erstattung durch die gesetzliche Krankenkasse sei daher nicht möglich.
Nachdem die Klägerin die Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 31. Mai 2016 vergeblich zur Begleichung eines Gesamterstattungsbetrages in Höhe von 19.114,30 Euro (136 Tagessätze á 101,00 Euro, 47 Tagessätze á 104,00 Euro zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von dreimal 102,40 Euro und einmal 183,10 Euro) au...