Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. integrierte Versorgung. vertragliche Anforderung. Managementgesellschaft als Kooperationspartner. Gesamtvergütung. Verjährung. Anschubfinanzierung. Verwendung des Einbehalts nach § 140d Abs 1 S 1 SGB 5 aF. Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Bereinigungsanspruch. keine punktgenaue Abzugsmöglichkeit der Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Die Verjährung eines Anspruchs auf Zahlung der Gesamtvergütung richtet sich in erster Linie nach dem Gesamtvertrag. Enthält dieser dazu keine einschlägige Bestimmung, verjährt der Anspruch in vier Jahren nach Ende des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist (vgl LSG Stuttgart vom 10.5.2000 - L 5 Ka 1050/99).

2. Die Gerichte haben im Streit um Einbehalte nach § 140d Abs 1 S 1 SGB 5 aF lediglich eine überschlägige, die Grundvoraussetzungen eines Vertrages über integrierte Versorgung einbeziehende Prüfung vorzunehmen, denn andernfalls gäben derartige Rechtsstreitigkeiten Konkurrenten ein Mittel an die Hand, um Verträge über die integrierte Versorgung im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung von Einbehaltungen zu Fall zu bringen (vgl BSG vom 2.11.2010 - B 1 KR 11/10 R = BSGE 107/ 78 = SozR 4-2500 § 140d Nr 2, BSG vom 25.11.2010 - B 3 KR 6/10 R).

3. Aus einem Vertrag zwischen einer Krankenkasse und einer Managementgesellschaft als Kooperationspartner muss sich klar ergeben, welche konkreten medizinischen Versorger verpflichtet sind, im Einzelfall für die Managementgesellschaft im Bereich der integrierten Versorgung tätig zu werden. Diesen Anforderungen genügen weder allgemeine Verweisungen auf geeignete Ärzte, Krankenhäuser etc noch die reine Möglichkeit eines - ohnehin an § 140b Abs 5 SGB 5 zu messenden - Beitritts durch Ärzte oder Krankenhäuser.

4. Im Streit um die Berechtigung zum Einbehalt nach § 140d SGB 5 aF kann sich eine Krankenkasse darauf berufen, die konkret erfolgten Einbehalte seien bereits unter Zugrundelegung bestimmter einzelner Verträge gerechtfertigt gewesen - vorausgesetzt, es handelt sich um wirksame Verträge über die integrierte Versorgung und die gemeldeten Abzugsquoten decken den konkret einbehaltenen Betrag (vgl LSG Hamburg vom 20.5.2015 - L 5 KA 60/13).

5. Wenn sich die Krankenkasse hingegen darauf beruft, die einbehaltenen Beträge seien über die vertragsspezifische Abzugsquote hinaus auf einen bestimmten Vertrag verwandt worden, macht sie für den betroffenen Vertrag nachträglich eine höhere als die gemeldete Abzugsquote geltend und weicht damit von ihren Angaben gegenüber der gemeinsamen Registrierungsstelle ab.

6. Ein Bereinigungsanspruch nach § 140d Abs 2 S 1 SGB 5 aF gewährt den Krankenkassen keine punktgenauen Abzugsmöglichkeiten, sondern überließ - was nur systemgerecht war und ist - auch diesen Punkt einer konsensualen Regelung. Ein punktgenauer Abzug kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Kassenärztlichen Vereinigungen nach der genannten Vorschrift nur die Beiträge zurückzahlen müssen, in denen das Risiko einer doppelten Bezahlung besteht. Dies ist nur dort der Fall, wo die Krankenkassen in der bisherigen Regelversorgung keine einzelnen Leistungen, sondern eine Gesamtheit von Leistungen pauschal vergüten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.06.2016; Aktenzeichen B 6 KA 22/15 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2013 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Februar 2014 dahingehend geändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 2.304.829,87 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

auf

 60.267,87

 Euro seit 19. September 2004,

 211.511,08

 Euro seit 3. Januar 2005,

 142.268,15

 Euro seit 21. April 2005

 148.227,24

 Euro seit 13. Juli 2005,

 139.507,07

 Euro seit 28. September 2005

 143.309,22

 Euro seit 23. August 2006,

 133.310,88

 Euro seit 2. November 2006,

 140.135,10

 Euro seit 3.Dezember 2006

 62.225,95

 Euro seit 8. März 2007

 55.531,51

 Euro seit 4. Mai 2007

 39.522,67

 Euro seit 24. Juni 2007,

 41.791,72

 Euro seit 25. August 2008

 45.866,46

 Euro seit 16. November 2007

 78.918,04

 Euro seit 13. Dezember 2007

 132.452,29

 Euro seit 17. April 2008,

 144.909,77

 Euro seit 18. Juli 2008,

 147.511,93

 Euro seit 1. Oktober 2008,

 150.444.92

 Euro seit 12. Februar 2009,

 140.467,88

 Euro seit 25. April 2009,

 146.650,12

 Euro seit 12. Juli 2009

zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte für die Quartale I/2004 bis einschließlich IV/2008 Teile der Gesamtvergütung für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung einbehalten durfte.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten behielt von der Gesamtvergütung, die sie der Klägerin nach § 14 Abs. 2 des Gesamtvertrages zwischen der Beklagten und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. sowie dem AEV-Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. vom 11. April 1996 (im Folgenden...

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