Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung der Rentner. Geltung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB 5 aF ab 1.4.2002. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Der Zugang zur KVdR-Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB 5 in der Fassung des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I 1988, 2477) ab 1.4.2002 (vgl BVerfG vom 15.3.2000 - 1 BvL 16/96 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42) begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 14.03.2006; Aktenzeichen B 12 KR 74/05 B)

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass sie ab 1. April 2002 (mit Beitragspflicht ab 1. Juni 2002) als versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) und in der sozialen Pflegeversicherung geführt wird. Sie begehrt die Feststellung, weiterhin in der freiwilligen Versicherung ihres Ehemannes familienversichert zu sein.

Die 1937 geborene Klägerin nahm am 1. Mai 1952 erstmalig eine Erwerbstätigkeit auf und war zumindest seit dem 1. Januar 1973 ununterbrochen über ihren freiwillig versicherten Ehemann familienversichert. Sie beantragte am 15. November 2001 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Gewährung von Regelaltersrente. Auf Grund dieses Antrags teilten die Beklagten ihr unter dem 19. November 2001 formlos mit, dass sie der KVdR nicht unterliege, weil sie die hierfür notwendigen Pflichtvorversicherungszeiten nicht zurückgelegt habe. Sie sei nicht neun Zehntel der - am 24. Januar 1977 beginnenden - zweiten Hälfte der Rahmenfrist seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Rentenantragstellung in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert oder im Rahmen einer Pflichtversicherung familienversichert gewesen.

Nachdem die BfA der Klägerin durch Bescheid vom 12. Dezember 2001 ab 1. Juni 2002 Regelaltersrente in Höhe von 151,83 EUR monatlich gewährt hatte, teilten die Beklagten, die nach eigenen Angaben dem Ehemann der Klägerin zuvor noch mündlich mitgeteilt hatten, dass eine Familienversicherung für seine Ehefrau (weiterhin) möglich sei, der Klägerin mit Schreiben vom 22. April 2002 formlos mit, dass sie ab 1. April 2002 als Rentenantragstellerin, ab 1. Juni 2002 als Rentenbezieherin in der KVdR versicherungspflichtig sei. Daraus ergebe sich auch die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht sei nicht möglich. Da die Klägerin erst ab 1. Juni 2002 Rente erhalte, werde sie vom 1. April bis zum 31. Mai 2002 beitragsfrei geführt. Ab 1. Juni 2002 habe sie aus ihrer Rente Beiträge zu entrichten. Mit Schreiben vom 26. April 2002 bestätigten die Beklagten diese Entscheidung. Auf Wunsch der Klägerin erteilten sie ihr den förmlichen Bescheid vom 2. Mai 2002. Die Klägerin habe monatlich 10,49 EUR Beitrag zur Krankenversicherung und monatlich 1,28 EUR Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung zu entrichten. Die BfA werde die Beiträge im Rahmen der Rentenzahlung einbehalten und diese an die Beklagten abführen. Die Familienversicherung der Klägerin habe mit dem 31. März 2002 geendet.

Der Widerspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2003). Nach der ab dem 1. April 2002 geltenden neuen Rechtslage erfülle die Klägerin - so die Beklagten - die Voraussetzungen für die KVdR und deshalb auch für die Versicherungspflicht nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Sie sei während der zweiten Hälfte der Rahmenfrist in der Zeit vom 24. Januar 1977 bis 15. November 2001 über den Ehemann familienversichert gewesen. Diese Zeiten zählten nunmehr als Vorversicherungszeit.

Das Sozialgericht hat die am 3. Februar 2003 erhobene Klage durch Urteil vom 5. November 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. März 2000 (1 BvL 16/96 u. a., SozR 3-2500 § 5 Nr. 42 = BVerfGE 102, 68) gelte § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V mit Wirkung vom 1. April 2002 wieder in der am 31. Dezember 1992 geltenden Fassung. Die durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 geänderte Fassung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V finde daher nur noch bis zum 31. März 2002 Anwendung. Trotz des bereits am 15. November 2001 gestellten Rentenantrages sei letztere Fassung für die Klägerin nicht einschlägig, weil ihr Rentenbezug erst für eine Zeit nach dem 31. März 2002 erfolge. Die KVdR-Pflichtversicherung verdränge die bisherige Familienversicherung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung). Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 8 Satz 3 SGB V (eingeführt m. W. v. 29. März 2002 durch Art. 1 Nr. 01 des Gesetzes vom 23. März 2002 - BGBl. I S. 1169 - ), unter denen die Familienversicherung nach § 10 SGB V Vorrang vor der KVdR-Pflichtversicherung habe, lägen nicht vor, da der Anspruch auf Rente nicht schon am 31. März 2002 bestanden habe. Die die KVdR-Pflichtversicherung der Klägerin ab 1. April 2002 begründenden Rechtsvorschriften verstießen nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere ni...

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