Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss einer Kostenerstattung der Therapie der Multiplen Chemikalienunverträglichkeit (MCS) mittels der klinischen Ökologie
Orientierungssatz
1. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Übernahme von Kosten für eine Krankenhausbehandlung im EU-Ausland von einer vorherigen Genehmigung der Krankenkasse abhängig. Diese setzt voraus, dass die Behandlung in ärztlichen Kreisen als üblich betrachtet wird und die medizinische Behandlung des Versicherten es erfordert. Wegen fehlender medizinischer Notwendigkeit darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die gleiche oder für den Patienten ebenso wirksame Behandlung rechtzeitig in einer Einrichtung erlangt werden kann, mit der die Krankenkasse eine vertragliche Vereinbarung getroffen hat.
2. Zur Therapie der Multiplen Chemikalienunverträglichkeit (MCS) durch die sog. klinische Ökologie gibt es bisher keine wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnisse. Vereinzelten Veröffentlichungen von Studien mit geringer Patientenzahl stehen kritische Publikationen gegenüber.
3. Im übrigen stehen einem Kostenerstattungsanspruch im Inland vorhandene vertragsärztliche Behandlungsmöglichkeiten der MCS entgegen.
4. Solange zumutbare vertragsärztliche Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, ist eine Kostenerstattung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG in dessen Beschluss vom 6. 12. 2005 - 1 BvR 347/98 - ausgeschlossen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SozialgerichtsHamburg vom 12. April 2005 wird zurückgewiesen. AußergerichtlicheKosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nichtzugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten einerstationären Behandlung im B. Hospital in E. in der Zeit vom 10.Februar bis 2. März 1997 sowie über die Kostenübernahme fürkünftige Behandlungen im B. Hospital oder im E1 Center bei Prof. R.in U ...
Die 1947 geborene Klägerin leidet nach Angaben unter anderemihres behandelnden Arztes Dr. N. seit Jahren an vielfältigenAllergien, Medikamentenunverträglichkeiten und vor allem an einerausgeprägten Multiplen Chemikalienunverträglichkeit (MultipleChemical Sensitivity - MCS) mit schweren körperlichen,neurologischen und psychischen Symptomen. Aufgrund ihrer Erkrankungbegab sie sich erstmals im Jahr 1988 in Behandlung bei demNichtvertragsarzt R1 (früher: B1, jetzt: W1), deren Kosten ihr bisEnde 1998 von der Beklagten erstattet wurden.
Im Januar 1997 beantragte sie bei der Beklagten dieKostenübernahme für eine stationäre Behandlung im B. Hospital inE., um dort insbesondere eine Testung von verträglichen Narkotikaund Zahnfüllstoffen durchführen und anschließend eine Zahnsanierungvornehmen zu lassen. Sie führte die stationäre Behandlung in derZeit vom 10. Februar bis 2. März 1997 durch und beantragte in derFolgezeit die Kostenübernahme für weitere Behandlungen dort oder imE1 Center bei Prof. R. in U., da sich ihre gesundheitlicheSituation dramatisch weiter verschlechtert habe undFolgebehandlungen daher dringend notwendig seien. Die Beklagtelehnte diese Anträge unter Bezugnahme auf ein Gutachten desMedizinischen Dienstes der Krankenversicherung Hamburg (MDK) vom27. Mai 1998 durch Bescheid vom 8. September 1998 ab, da diebegehrten Behandlungen ohne anerkannten Wirksamkeitsnachweis seienund Behandlungen im Inland durch zugelassene Leistungserbringermöglich seien. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies sie durchWiderspruchsbescheid vom 28. Juni 2000 zurück. Die Diagnose MCSkönne keinesfalls als gesichert angesehen werden und die im Inlandzur Verfügung stehenden Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeitenseien nicht ausgeschöpft. Darüber hinaus fehle einwissenschaftlicher Beweis für die im B. Hospital oder bei Prof. R.angewandten Behandlungsmethoden.
Die Klägerin hat dagegen am 10. Juli 2000 Klage erhoben undvorgetragen, die Diagnose MCS sei sehr wohl gesichert. Für dieseErkrankung habe die Schulmedizin keine Therapie anzubieten. Siebenötige vielmehr eine Behandlung nach den Methoden der KlinischenÖkologie, die im B. Hospital oder bei Prof. R. durchgeführt werdenkönne. Dort müssten insbesondere verträgliche Lokalanästhetika undZahnfüllstoffe für eine notwendige Zahnbehandlung sowieNarkosemittel, Kortison, Antihistamin und Antibiotika für eventuelleintretende Notfälle ausgetestet werden.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Facharztes für InnereMedizin, Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde,Allergologie und Umweltmedizin Prof. Dr. B2 vom 1. Oktober 2003eingeholt. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung der Klägerinausgeführt, dass eine ausreichend gesicherte Diagnose nichtgestellt werden könne, da die Klägerin eine weiterführendeDiagnostik wegen der Befürchtung von Symptomverschlechterungenabgelehnt habe. Die von ihr angegebenen Beschwerden ähnelten jedochdem Symptomkomplex einer MCS. Eine verbindliche Definition der MCSexistiere nicht, sie beschreibe vielmehr eine Vielzahlunspezifischer Kernsymptome ...