Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Einkommen auf den Bedarf des Hilfebedürftigen unter Berücksichtigung des Zuflussprinzips
Orientierungssatz
Ein Anspruch auf Leistungen des SGB 2 ist ausgeschlossen, wenn der grundsicherungsrechtliche Bedarf des Hilfebedürftigen durch überschießendes Einkommen gedeckt ist. Einkommen ist das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat. Dabei ist vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss maßgeblich bestimmt. Dementsprechend ist eine nach Antragstellung zugeflossene Abfindungszahlung als Einkommen i. S. von § 11 Abs. 1 S. 1 SGB 2 anzusehen, sofern ein abweichender Zuflusstermin normativ nicht bestimmt ist. Die Berücksichtigung als Vermögen ist ausgeschlossen (Anschluss BSG Urteil vom 28. 10. 2009, B 14 AS 64/08).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Hamburg vom 13. September 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte dem Kläger für die Monate März bis Mai 2011 sowie für Juni und Juli 2011 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu erbringen hat.
Mit notariellem Vertrag vom 19. Dezember 2000 hatte der Vater des Klägers auf den Bruder T. des Klägers ein in G. belegenes Grundstück übertragen. Dafür sollte der Kläger bei Vereinbarung eines Erb- und Pflichtteilsverzichts eine Abfindung in Höhe von 50.000 DM erhalten, zu zahlen spätestens sechs Monate nach dem Tod der Eltern des Klägers. Am 14. Juli 2010 hatte sich der Kläger durch weiteren notariellen Vertag mit seinem Bruder geeinigt, dass er die Abfindung bereits vor Fälligkeit erhalten solle. Zu zahlen seien noch 18.000 EUR, davon 3.000 EUR sofort, der Rest in 15 gleichen Raten von je 1.000 EUR, beginnend ab 1. September 2010. Nach vollständiger Zahlung sollten keine weiteren Erb- und Pflichtteilsansprüche mehr geltend gemacht werden. Der Bruder hat die Zahlungen wie vereinbart gegenüber dem Kläger erbracht.
Der Vater ist im Jahr 2005 gestorben, die Mutter im Jahr 2013.
Mit Bescheiden vom 16. März 2011 (betr. den Zeitraum Dezember 2010 bis Mai 2011) und vom 6. Juli 2011 (betr. den Zeitraum Juni und Juli 2011) lehnte der Beklagte die vorangehenden Anträge des Klägers auf Bewilligung von Leistungen wegen den Bedarf (ca. 889 EUR monatlich) übersteigenden Einkommens bzw. Vermögens ab. Die Widersprüche des Klägers blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17.8.2011 betr. noch Leistungen für März bis Mai 2011 und weiterer Widerspruchsbescheid vom 17.8.2011 betr. Leistungen für Juni und Juli 2011).
Am 19. September 2011 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben mit dem Begehren, die vorgenannten Bescheide aufzuheben und den Beklagten zur Leistungsgewährung nach dem SGB II zu verpflichten.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 6. Februar 2012 verfügt, dass die Verfahren betreffend die beiden Widerspruchsbescheide getrennt verhandelt und entschieden werden sollen.
Mit Urteilen vom 13. September 2012 wies das Sozialgericht die Klage jeweils ab: Der Kläger sei wegen der monatlichen Zahlungen des Bruders in Höhe von 1.000 EUR in der fraglichen Zeit nicht hilfebedürftig gem. § 9 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II gewesen. Die Ansprüche und Einnahmen des Klägers aus dem mit dem Bruder geschlossenen Abfindungsvertrag seien nicht geschütztes Vermögen (vgl. § 12 SGB II), sondern - bereinigt um den Pauschbetrag nach § 6 Alg-II-V - nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II voll zu berücksichtigendes Einkommen, welches seinen Bedarf überstiegen habe.
Die Urteile sind dem Kläger am 13. Februar 2013 zugestellt worden. Am 13. März 2013 hat er jeweils Berufung eingelegt.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass das ihm aufgrund des notariellen Abfindungsvertrages zugeflossene Geld kein Einkommen, sondern geschütztes Vermögen sei. Er habe für das Geld nicht gearbeitet, und es sei auch keine abgeleitete Zahlung nach vorangegangener Tätigkeit. Vielmehr handele es sich um die Kapitalisierung in Form einer Abfindung, weil er ansonsten als Erbe seiner Eltern einen Vermögensgegenstand erworben hätte. Dessen Umwandlung in Geld könne an seinem Charakter als Vermögen nichts ändern.
Der Kläger beantragt im Verfahren L 4 AS 97/13,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. September 2012 zum Geschäftszeichen S 4 AS 3120/11 abzuändern und den Bescheid des Beklagten 6. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 1. Juni 2011 bis 31. Juli 2011 zu gewähren.
Im Verfahren L 4 AS 98/13 beantragt der Kläger,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. September 2012 zum Geschäftszeichen S 4 AS 415/12 abzuändern und den Bescheid des Beklagten 16. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistun...