Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Überprüfbarkeit der Krankenhausbehandlung durch den MDK nach Ablauf der Ausschlussfrist. keine weiteren medizinischen Ermittlungen. Fortwirkung im Gerichtsverfahren. keine Kürzung oder Verweigerung der Zahlung bei fehlender Schlüssigkeit bzw Auffälligkeit
Orientierungssatz
1. Die Abrechnung des Krankenhauses kann auch nach Ablauf der Ausschlussfrist in § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 sachlich und rechnerisch überprüft werden. Allerdings darf diese Prüfung nur auf Grundlage der Daten erfolgen, die das Krankenhaus der Krankenkasse nach § 301 SGB 5 übermittelt hat. Weitere medizinische Ermittlungen, insbesondere die Auswertung der Krankenakte, dürfen dagegen nicht mehr stattfinden (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R = BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24).
2. Diese Begrenzung der Sachermittlung wirkt auch im Gerichtsverfahren fort (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R aaO).
3. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Krankenhaus die Daten nach § 301 SGB 5 nicht vollständig an die Krankenkasse übermittelt hat, da in dem Fall die Ausschlussfrist gar nicht zu laufen beginnt (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R aaO).
4. Soweit sich nach § 301 SGB 5 übermittelten Daten bereits entnehmen lässt, dass die Abrechnung des Krankenhauses fehlerhaft sein dürfte, ist dies einer Unvollständigkeit der Daten nicht gleichzusetzen (vgl BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R = BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3).
5. Die fehlende Schlüssigkeit bzw Auffälligkeit einer Abrechnung berechtigt die Krankenkasse nicht zur Kürzung oder Verweigerung der Zahlung, sondern gem § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5 nur dazu, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Versäumt sie insoweit die sechswöchige Ausschlussfrist, sind weitere medizinische Ermittlungen und dementsprechend eine Rechnungskürzung unzulässig.
Normenkette
SGB V § 109 Abs. 4 S. 3, § 275 Abs. 1c Sätze 1-2, Abs. 1 Nr. 1, §§ 301, 39; KHG § 17b Abs. 1 S. 10; KHEntgG § 7 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. November 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Vergütung für eine Krankenhausbehandlung.
Die bei der Beklagten versicherte G. wurde in einem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus in der Zeit vom 17. Februar bis 11. April 2009 stationär behandelt. Während ihres Krankenhausaufenthalts stürzte sie zweimal und zog sich dabei eine Femurfraktur sowie die Fraktur eines Brustwirbelkörpers zu.
Mit der Aufnahmeanzeige hatte die Klägerin der Beklagten als Aufnahmediagnose eine sekundäre Rechtsherzinsuffizienz (I50.01) sowie eine voraussichtliche Aufenthaltsdauer bis zum 26. Februar 2009 mitgeteilt. Mit Rechnung vom 13. April 2009, die per Datenträgeraustausch am 28. April 2009 an die Beklagte übermittelt wurde, verlangte sie für die stationäre Behandlung einen Betrag von EUR 17.538,83, wobei sie der Abrechnung die Diagnosebezogene Fallgruppe (Diagnosis Related Group - DRG) I09 A (Wirbelkörperfusion mit äußerst schweren CC ohne andere Kyphoplastie) zugrunde legte. Als Hauptdiagnose verschlüsselte sie den Code S22.06 (Fraktur eines Brustwirbels: T11 und T12).
Die Beklagte beglich diese Rechnung zunächst, beauftragte jedoch am 9. Juni 2009 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. (MDK) mit der Prüfung, ob die Klägerin korrekt kodiert habe und ob die Dauer des stationären Krankenhausaufenthaltes nachvollziehbar sei. Der MDK zeigte der Klägerin seinen Prüfauftrag mit Schreiben vom 14. Juni 2009 an, welches am 22. Juni 2009 bei dieser einging. In seinem Gutachten vom 20. April 2010 kam der MDK nach Einsicht in die von der Klägerin übersandten Krankenunterlagen zu dem Ergebnis, dass als Hauptdiagnose I50.01 (Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz) zu kodieren wäre, da die stationäre Aufnahme der Versicherten wegen Herzinsuffizienz erfolgt sei. Die Nebendiagnosen und Prozeduren seien sämtlich korrekt kodiert worden. Somit ergebe sich die abrechenbare DRG F48.Z (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems). Die Verweildauer sei medizinisch indiziert gewesen.
Hierauf gestützt teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ein Betrag in Höhe von EUR 8.921,15 zu viel bezahlt worden sei und rechnete in dieser Höhe am 8. Juni 2010 gegen die unstreitige Vergütungsforderung in einem anderen Behandlungsfall auf.
Mit ihrer am 18. August 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin diesen Differenzbetrag geltend gemacht und vorgetragen, die Beklagte könne sich nicht auf die Ausführungen des MDK berufen, da dieser seine Beauftragung erst nach Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist von sechs Wochen angezeigt habe. Die Beklagte hat demgegenüber eingewandt, auf ein mögliches Fristversäumnis des MDK komme es nicht an, da die von der Klägerin angegebene Hauptdiagnose schon au...