Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Vermögenseinsatz. Entschädigungszahlungen nach BEG und LAG. Bestattungsvorsorgevertrag. Verwertbarkeit. Härte
Orientierungssatz
1. Bei geleisteten Zahlungen nach dem BEG und LAG an einen 95-jährigen Sozialhilfeempfänger handelt es sich nicht (mehr) um öffentliche Mittel zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes iS des § 90 Abs 2 Nr 1 SGB 12. Die Vorschrift stellt nicht darauf ab, ob die fraglichen öffentlichen Mittel jemals dem im Gesetz genannten Zweck gedient haben, sondern ob ein solcher Zweck noch erreicht werden kann bzw soll.
2. Eine Verwertung stellt keine unbillige Härte iS des § 90 Abs 3 S 1 SGB 12 dar, wenn Leistungen nach dem BEG dem Ausgleich materieller Nachteile dienten, die durch die Behinderung im beruflichen Fortkommen begründet worden sind (vgl BVerwG vom 19.6.1984 - 5 C 8/81). Nichts anderes gilt für die Entschädigung nach LAG, die ebenfalls als Ausgleich für materiell erlittenen Schaden zu sehen ist.
3. Eine Verwertung stellt eine unbillige Härte iS des § 90 Abs 3 S 1 SGB 12 dar, wenn das Vermögen zumindest teilweise der Sicherung einer angemessenen Bestattung dient. Grundsätzlich ist dem Wunsch des Menschen, für die Zeit nach seinem Tod durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen, Rechnung zu tragen (vgl BSG vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R = SozR 4-3500 § 90 Nr 3). Um solches Vermögen handelt es sich nur, wenn es in Höhe zu erwartender Bestattungskosten ausgesondert und speziell zu diesem Zweck, wie in einem Bestattungsvorsorgevertrag, zugeschrieben ist.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte zugunsten der Klägerin Heimkosten aus Sozialhilfemitteln (Hilfe zur Pflege) zu übernehmen hat.
Die Klägerin ist im November 1911 in D. geboren. Ihre Mutter war Jüdin. Die Klägerin hat den Beruf einer Bühnenbildnerin erlernt, durfte diesen Beruf nach Abschluss ihrer Ausbildung jedoch nicht ausüben. Sie erhielt deswegen mit Bescheid des Bayerischen Landesentschädigungsamtes München vom 30. April 1960 eine Kapitalentschädigung für Schaden im beruflichen Fortkommen in Höhe von 40.000 DM (Höchstbetrag) wegen Verhinderung der Aufnahme eines der Ausbildung entsprechenden privaten Dienstverhältnisses. Dem lag zugrunde, dass die Klägerin nach Abschluss ihres Studiums im Oktober 1935 im Gegensatz zu ihren Mitschülern wegen "halbarischer" Abstammung eine ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeit nicht aufnehmen konnte. Der Entschädigungszeitraum für die Kapitalentschädigung begann mit Beendigung der beruflichen Ausbildung und der verfolgungsbedingten Nichtaufnahme einer entsprechenden Erwerbstätigkeit im Oktober 1935.
Mit Bescheid des Landkreises Celle (Ausgleichsamt) vom 22. Mai 1964 erhielt die Klägerin eine Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz in Höhe von - aufgerundet - 14.580 DM zugesprochen, die sich aus einem Vertreibungsschaden an Grundvermögen in B. ergab (13.250 DM) sowie einem 10 %igen Zuschlag zum Grundbetrag nach § 248 Lastenausgleichsgesetz (sogenannter Entwurzelungszuschlag für am 1. April 1952 antragsberechtigte Heimatvertriebene).
Die Klägerin, zunächst eingestuft in die Pflegestufe I, lebt seit Januar 2006 in einer Seniorenresidenz. Im Mai 2006 beantragte sie bei der Beklagten Leistungen zur Pflege aus Sozialhilfemitteln. Dabei gab sie an, dass sie über Bankguthaben und Wertpapiere im Wert von ungefähr 37.000 EUR verfüge.
Mit Bescheid vom 28. August 2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme ungedeckter Heimkosten ab, da die Klägerin noch über Vermögen verfüge, welches sie nach den Bestimmungen des § 90 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) zunächst vorrangig zur Deckung der anfallenden Kosten einzusetzen habe. Erst wenn dieses Vermögen auf den maßgeblichen Betrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 12 Hamburgisches Landespflegegesetz in Höhe von 7.800 EUR abgeschmolzen sei, könne mit Leistungen eingetreten werden. Das vorhandene Vermögen der Klägerin sei ansonsten nicht nach § 90 SGB XII zu schonen. Ihr seien in den 60er Jahren Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz und dem Lastenausgleichsgesetz bewilligt und in Form von Kapitalabfindungen ausgezahlt worden. Die Frage, ob es sich bei den jetzt vorhandenen Vermögen noch um diese Gelder handele, sei nachrangig. Zunächst sei festzuhalten, dass die Leistungen zum Ausgleich materieller (monetärer) Nachteile gedient hätten, als Entschädigung für Schaden im beruflichen Fortkommen und für verlorenen Grundbesitz. Sinn und Zweck dieser Zahlungen sei es gewesen, die Klägerin so zu stellen, als hätte sie diese Nachteile nicht hinnehmen müssen. Insofern sei sie anderen Vermögenden gleichgestellt, die das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen hätten. Ausnahmetatbestände nach § 90 Abs. 2 und Abs. 3 SGB XII seien nicht erkennbar. Um Einkommen, das für Schaden an Leben oder an Körper und Gesundheit gezahlt worden sei (vgl. § 82 Abs. 1 SGB XII) handele es sich nicht.
Die Klägerin erhob Widersp...