Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rücknahme von rechtswidrigen Bewilligungsbescheiden. fehlende Aufhebung ergangener Änderungsbescheide. Voraussetzungen der Erstattungspflicht gem § 50 SGB 10
Orientierungssatz
1. Maßgebend für die Auslegung eines Bescheides ist nicht der erkennbare Wille der den Bescheid erlassenden Behörde, sondern der Empfängerhorizont. Für die Beteiligten muss sich unzweideutig ergeben, was die Behörde will. Der Wortlaut des Tenors bildet die Grenze der Auslegung.
2. Ergangene Änderungsbescheide über Leistungen des SGB 2 treffen nicht lediglich eine ergänzende Regelung, die neben diejenige des jeweiligen Bewilligungsbescheides tritt, sondern regeln die Leistungen für den jeweils genannten Zeitraum insgesamt neu. Ist für den Änderungsbescheid eine Aufhebung nicht verfügt worden, so kann der Grundsicherungsträger für die von ihm erfassten Monate keine Erstattung verlangen (vgl BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R = SozR 4-1300 § 33 Nr 2).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte möchte mit seiner Berufung die vollständige Aufhebung und Erstattung überzahlter Leistungen an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2007 in Höhe von insgesamt 29.209,92 Euro erreichen.
Der Kläger verkaufte bereits seit 2003 über das Internetportal E. Markenuhren und Zubehör. Diese Tätigkeit führte er sodann auch während des streitgegenständlichen Zeitraums fort. Nach den Ermittlungsergebnissen des Hauptzollamtes sowie den diesen Ermittlungen zugrunde gelegten Kontoauszügen erzielte der Kläger während des Zeitraums vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2007 Einnahmen in erheblicher Höhe. Es waren auf seinen Konten in dem Jahr 2005 Einnahmen in Höhe von 44.335,32 EUR zu verzeichnen; für das Jahr 2006 konnten sodann Einnahmen in Höhe von 58.739,70 EUR und für das Jahr 2007 Einnahmen in Höhe von 74.391,11 EUR festgestellt werden. Die Einnahmen setzen sich jeweils zusammen aus über das Konto abgewickelten Einnahmen aus E.-Geschäften sowie aus sonstigen Bareinzahlungen des Klägers.
Die Erzielung der entsprechenden Einnahmen gab der Kläger auf den Weiterbewilligungsanträgen vom 15. Oktober 2004, 25. April 2005, 29. September 2005, 13. April 2006, 11. September 2006 und 12. März 2007 gegenüber dem Beklagten nicht an. Der Kläger machte jedoch im Rahmen der Weiterbewilligungsanträge jeweils Angaben zu sonstigen Einkünften. So machte er auf dem Weiterbewilligungsantrag vom 15. Oktober 2004 Angaben hinsichtlich des Bezuges von Arbeitslosengeld sowie zu der Höhe seines Einkommens aus geringfügiger Beschäftigung. Im Rahmen der Weiterbewilligungsanträge vom 25. April 2005 und 29. September 2005 machte er ebenfalls konkrete Angaben hinsichtlich der Höhe seines Einkommens aus geringfügiger Beschäftigung und reichte in den laufenden Bewilligungsabschnitten auch Verdienstabrechnungen und Lohnsteuerbescheinigungen ein. Am 12. Dezember 2005 teilte der Kläger unter Einreichung einer durch seinen Arbeitgeber unterschriebenen Bescheinigung über Nebeneinkommen mit, dass die Tätigkeit nicht über November 2005 hinaus fortgesetzt werden würde. Auf den weiteren Weiterbewilligungsanträgen vom 13. April 2006, 11. September 2006 und 12. März 2007 gab er sodann an, dass sich keine Änderungen ergeben hätten.
Während des Zeitraums vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2007 wurden dem Kläger insgesamt Leistungen in Höhe von 29.209,92 EUR bewilligt und ausgezahlt. Mit Leistungsbescheid vom 29. Oktober 2004 wurden an den Kläger monatlich 754,22 Euro für den Zeitraum von Januar bis April 2005 bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 15. September 2005 wurde die Leistung für August 2005 auf 560,97 Euro abgeändert. Für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2005 wurden dem Kläger monatlich 562,52 Euro aufgrund des Bescheides vom 27. April 2005 bewilligt. Mit Bescheid vom 5. Oktober 2005 wurden ihm 594,47 Euro monatlich für den Zeitraum von November 2005 bis April 2006 bewilligt. Für den November 2005 wurde die Leistung des Klägers auf 595,93 Euro durch Bescheid vom 14. November 2005 und für den Dezember 2005 auf 708,76 Euro durch Bescheid vom 20. Dezember 2005 abgeändert. Mit Bescheid vom 7. Februar 2006 wurden die Leistungen für den Kläger im Zeitraum von Januar bis April 2006 auf monatlich 754,22 Euro angehoben. Mit Bescheid vom 24. April 2006 wurden ihm 723,56 Euro monatlich für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2006 bewilligt. Für den Zeitraum von November 2006 bis April 2007 wurden ihm aufgrund des Bescheides vom 15. September 2006 weiterhin 723,56 Euro bewilligt; gleiches galt für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2007 aufgrund des Bescheides vom 13. März 2007. Mit Bescheid vom 5. Juni 2007 wurden Leistungen für den Kläger für den Monat Mai 2007 auf 635,05 Euro, für den Monat Juni 2007 auf 505,00 Euro und für die Monate Juli bis Oktober...