Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsen auf einen Finanzierungskredit sind auf den Bedarf für die Unterkunft des Grundsicherungsberechtigten anzurechnen
Orientierungssatz
1. Leistungen nach dem SGB 2 sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt, sie sollen nicht der Vermögensbildung dienen.
2. Dementsprechend sind Schuldzinsen auf einen Finanzierungskredit als Bedarf für die Unterkunft zu übernehmen. Dagegen sind Tilgungsleistungen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, weil diese der Vermögensbildung dienen.
3. Eine Ausnahme hiervon besteht nur dann, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits wesentlich abgeschlossen ist und der Erwerb der Immobilie außerhalb des Leistungsbezugs erfolgt ist.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 22. August 2022 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird unter Abänderung des Änderungsbescheids vom 9. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. August 2019 verurteilt, der Klägerin für den Monat März 2019 weitere 97,98 € und für den Monat Juli 2019 weitere 344,12 € für Kosten der Unterkunft und Heizung zu bewilligen.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin aufgrund der geänderten Bewilligungen weitere 251,85 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet der Klägerin 17 % der notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Bewilligung höherer Leistungen für die Kosten der Unterkunft, insbesondere die Übernahme von Tilgungskosten für ihre Eigentumswohnung in Höhe von insg. 2.625,45 Euro für die Zeit von Februar bis Juli 2019.
Die im xxxxx 1973 geborene Klägerin, an deren Erwerbsfähigkeit keine Zweifel bestehen, erwarb 2008 eine 76 m² große Eigentumswohnung für 122.000,- €. Sie nahm zur Finanzierung des Kaufpreises zwei Darlehen bei der S. auf.
Sie beantragte am 15. Februar 2019 im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im Antrag machte sie für die von ihr selbst bewohnte Eigentumswohnung monatlich einen Betrag von 604,92 € geltend. Bei der Bezeichnung des entsprechenden Formularfeldes „Grundmiete bzw. Schuldzinsen ohne Tilgungsraten“ hatte sie den Teil „ohne Tilgungsraten“ gestrichen. Ihre Vorauszahlungen auf das Hausgeld betrugen zunächst 177,00 €, die Heizkosten 71,00 € und die Wasserkosten 48,00 € (jeweils monatlich).
Sie legte im Verwaltungsverfahren jeweils einen Ausdruck über den Kontostand der beiden Darlehen vor. Für das Wohnungsbaudarlehen _____ ergab sich daraus ein Kontostand von -53.677,19 € zum 18. Februar 2019 für einen ursprünglich bewilligten Betrag von 64.200,00 €. Als Ende der Sollzinsbindungsfrist war der 28. Februar 2033 angegeben. Als Rate für Zins und Tilgung war ein Betrag von 318,33 € ausgewiesen. Die Aufteilung dieses Betrages in Tilgung und Zins - bei abnehmendem Zinsanteil - ergab sich aus einem von der Klägerin vorgelegten Tilgungsplan. Für die Einzelbeträge wird auf Bl. 64 der Verwaltungsakte verwiesen.
Für das Wohnungsbaudarlehen _____ ergab sich ein Kontostand von -48.327,18 € zum 18. Februar 2019 für einen ursprünglich bewilligten Darlehensbetrag von 57.800,00 €. Das Ende der Sollzinsbindungsfrist war mit dem 28. Februar 2033 angegeben. Als Rate für Zins und Tilgung war ein Betrag von 286,59 € ausgewiesen. Die Aufteilung dieses Betrages in Tilgung und Zins - bei abnehmendem Zinsanteil - ergab sich aus einem von der Klägerin vorgelegten Tilgungsplan. Für die Einzelbeträge wird auf Bl. 59 der Verwaltungsakte verwiesen.
Mit Bescheid vom 25. März 2019 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Februar 2019 bis zum 31. Juli 2019. Für den Monat Februar betrugen die bewilligten Leistungen (nur für Kosten der Unterkunft und Heizung) 193,83 €. Der Beklagte berücksichtigte dafür einen Regelbedarf von 424,00 € und für die Kosten der Unterkunft und Heizung einen Schuldzins in Höhe von 165,88 €, Nebenkosten von 256,40 € und Heizkosten von 71,00 € (insgesamt 917,28 €). Für die Ermittlung des angesetzten Schuldzinses bildete der Beklagte einen Durchschnitt über mehrere Monate für den abnehmenden Schuldzins. Bei den Nebenkosten rechnete der Beklagte monatlich ein Zwölftel der jährlich geschuldeten Grundsteuer ein. Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte 753,45 € Arbeitslosengeld, bereinigt um 30,00 €.
Ab März 2019 hatten sich die monatlichen Heizkostenvorauszahlungen der Klägerin auf 85,00 € erhöht, am 12. März 2019 wurde eine Nachzahlung in Höhe von 126,83 € fällig und vom Konto der Klägerin abgebucht. Mit Wirtschaftsplan vom 7. März 2019 hatte die Verwaltung der Eigentümergemeinschaft mit Wirkung zum 1. Jan...