Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung von Verfolgungsersatzzeiten. nationalsozialistische Verfolgung. Vorliegen von Zwangsarbeit eines jüdischen Zimmermannes im Ostgebiete des Deutschen Reiches
Orientierungssatz
Zwangsarbeit ist die Verrichtung von Arbeit unter obrigkeitlichem (hoheitlichen) bzw gesetzlichem Zwang (vgl BSG vom 14.7.1999 - B 13 RJ 61/98 R = SozR 3-5070 § 14 Nr 2). Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen liegt vor, wenn der Verfolgte die ihm zugewiesene Arbeit unter Beschränkungen seiner Freiheit verrichten musste, die über das sich aus der Arbeit selbst ergebende Maß hinausgingen.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Es ist im Überprüfungsverfahren höhere Regelaltersrente ab 1. Januar 1999 unter Anrechnung einer Verfolgungsersatzzeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939 streitig.
Der 1924 in Z. (C.), das nach dem Ersten Weltkrieg von Deutschland an Polen gefallen und im 2. Weltkrieg in das Deutsche Reich eingegliedert war (Erlass über die Gliederung und Verwaltung der Ostgebiete vom 8. Oktober 1939, RGBl. I S. 2042), geborene US-amerikanische, früher polnische Kläger ist jüdischer Verfolgter des Nationalsozialismus. Nach der Befreiung (zuletzt KZ Dachau) hielt er sich in München auf, bevor er im April 1949 von B. aus in die USA auswanderte. Dort legte er von 1949 bis Ende 1996 564 Kalendermonate (188 Quartale) Versicherungszeit zurück. Der Kläger wurde nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) für Zeiten der Freiheitsentziehung vom 1. Januar 1940 bis Ende April 1945 (64 Monate) entschädigt (Bescheid vom 11. März 1957). Weitere Zeiten der Freiheitsentziehung/Freiheitsbeschränkung wurden mangels ausreichenden Nachweises einer Freiheitsbeschränkung (Sterntragen) abgelehnt und vom Kläger, der vom Bayerischen Landesentschädigungsamt Rente nach dem BEG für Schaden an Körper und Gesundheit bezieht, nicht weiter verfolgt.
In der notariell beurkundeten Eidesstattlichen Erklärung (Lebenslauf) vom 14. Januar 1955 führte der Kläger zusammen mit seinem Bruder S.A. und seinem Vetter I.A. aus, bei Kriegsausbruch in C. bei ihren Eltern gelebt zu haben. Vom 2. oder 3. Kriegstage hätten sie in ihrem Heimatort arbeiten müssen. Sie seien auf der Straße aufgegriffen worden, wenn immer die Besatzung Arbeitskräfte gebraucht habe, und auch schon gleich zu Anfang oft aus den Betten geholt worden, wenn Arbeitskräfte fehlten. Sie hätten viele polnische Häuser abreißen und auch neue Häuser bauen müssen und außerdem neue Straßen angelegt. Im Anfang seien diese Arbeiten noch nicht so organisiert gewesen. Sie könnten nicht sagen, dass sie in den ersten Wochen nach dem Einzug der Deutschen täglich und regelmäßig hätten arbeiten müssen. Ab 1. Januar 1940 sei die ganze Sache bereits hoch organisiert gewesen.
Am 25. März 1997 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersrente. Hierbei gab er an, 1939 die 7. Klasse der Schule beendet zu haben. Ein Lehrverhältnis bzw. Ausbildungsverhältnis habe nicht bestanden. Unter dem 19. Juni 1998 gab er an, von 1939 bis 1942 als Schreiner/Handwerker bei den Besatzungstruppen und bei Krupp in Ciechanow beschäftigt gewesen zu sein. Unter dem 24. November 1998 gab er an, dass für ihn von Februar 1938 bis September 1939 ein Lehrverhältnis bzw. ein Ausbildungsverhältnis bestanden und er 12 Zloty die Woche in einer Schreinerei (Möbelbau) verdient habe, deren Namen er nicht mehr erinnere. Von September 1939 bis November 1942 habe er vollschichtig Schreinerarbeit für die Wehrmacht geleistet.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakten bei und lehnte den Rentenantrag nach umfangreichen Ermittlungen durch Bescheid vom 18. Dezember 1998 ab, weil Beitragszeiten zur gesetzlichen deutschen Rentenversicherung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden seien. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den seine jetzige Prozessbevollmächtigte damit begründete, dass er im Ghetto Ciechanow für eine Firma L., die der Kläger bis dahin nicht erwähnt und bei dem S.A. Zwangsarbeit als Klempner verrichtet hatte, tätig gewesen sei. Zu dieser Arbeit sei er durch das jüdische Arbeitsamt eingeteilt worden. Auf verschiedene - die Zeit ab Januar 1940 betreffende - Fragen der Beklagten vom 27. April 2000 antwortete der Kläger mit persönlichem Schreiben vom 22. September 2000. In diesem Schreiben, auf dessen Inhalt verwiesen wird, äußerte er sich u. a. zu seiner Beschäftigung und zu seiner Unterkunft/Wohnung ab Januar 1940 bis November 1942.
Die Beklagte erteilte dem Kläger nach Einsicht in die Akten des I1 (I2) Althaus den Bescheid vom 13. Dezember 2000, mit dem sie, da die Anspruchsvoraussetzungen seit 31. Oktober 1989 erfüllt seien, ab 1. März 1997 Regelaltersrente gewährte. Angerechnet wurden Beitragszeiten vom 1. Januar 1940 bis 6. November 1942 (Leistungsgruppe 3 - Arbeiter außerhalb der Land- und Forstwirtschaft) und Verfolgungsersat...