Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswidrigkeit einer Honorarverteilungsregelung ohne arztgruppeneinheitliche Festlegung von Fallpunktzahlen und ohne feste Punktwerte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Honorarverteilungsregelung muss den in § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V angesprochenen Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars und den aus Art. 12 Abs. 1 in Verbinding mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes herzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit beachten.

2. Eine Honorarverteilungsregelung, die keine arztgruppeneinheitliche Festlegung von Fallpunktzahlen und keine festen Punktwerte enthält, ist rechtswidrig.

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Hamburg vom 28.1.2012 - L 1 KA 57/09, das vollständig dokumentiert ist.

 

Normenkette

SGB V § 85 Abs. 4 Sätze 3, 6-8

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.02.2013; Aktenzeichen B 6 KA 13/12 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Juni 2009 und der Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über das Honorar der Klägerin für das Quartal III/2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist das Begehren der Klägerin nach höherem Honorar im Quartal III/2005, in diesem Zusammenhang auch nach Erweiterung des praxisbezogenen Regelversorgungsvolumens (pRVV) aus Härtefallgründen, und in diesem Rahmen jeweils ihr Anspruch auf Neubescheidung. Die Neuberechnung des Honorars begehrt sie insbesondere unter Berufung darauf, dass die Honorarverteilungsregelungen, auf deren Grundlage der Honorarbescheid ergangen sei, unwirksam gewesen seien, weil sie kein Regelleistungsvolumen (RLV) vorgesehen hätten.

Die Klägerin ist Fachärztin für Plastische Chirurgie und Chirurgie. Sie führt die Zusatzbezeichnung Handchirurgie. Die Klägerin nimmt seit 1. Februar 2001 im Bezirk der Beklagten mit einer Zulassung als Plastische Chirurgin mit der Zusatzbezeichnung Handchirurgie an der vertragsärztlichen Versorgung unter der Praxisanschrift H. Ring teil. In dem streitbefangenen Quartal waren neben ihr sechs weitere Plastische Chirurgen zugelassen. Bis einschließlich des Quartals I/2005 erfolgte ihre Vergütung unbudgetiert auf der Grundlage des sog. floatenden Punktwertes für sog. sonstige Arztgruppen. Ab dem Quartal II/2005 wurden Plastische Chirurgen in einem gemeinsamen, budgetierten Honorarkontingent mit Chirurgen, Neurochirurgen sowie Kinderchirurgen zusammengefasst. Dieser Wechsel stand im Zusammenhang damit, die Leistungen für ambulantes Operieren ab dem Quartal II/2005 aus dem Bereich der praxisbezogenen Regelversorgungsvolumina herauszunehmen und diese aus einem gesonderten Honorartopf zu vergüten.

Nachdem der Klägerin mitgeteilt worden war, dass ihr ab dem Quartal II/2005 ein praxisbezogenes Regelversorgungsvolumen zugeteilt werde, beantragte sie mit Schreiben vom 14. Juni 2005 bei der Beklagten eine Erweiterung ihrer praxisbezogenen Regelversorgungsvolumina ab dem Quartal II/2005. Einen entsprechenden Antrag stellte sie noch einmal mit Schreiben vom 10. August 2005 für das Quartal III/2005.

Ausweislich des Honorarbescheides vom 22. Februar 2006 für das Quartal III/2005 honorierte die Beklagte die Leistungen der Klägerin mit 184.554,0 abzurechnenden Punkten und einem durchschnittlichen arztindividuellen Punktwert von 4,21 Euro-Cent. Das Honorar betrug 22.136,48 EUR und der Umsatz 14.735,65 EUR. Der Fallwert betrug 71,19 EUR, die Fallzahl 207 und der Leistungsbedarf in Punkten 350.111,9. Das praxisbezogene Regelversorgungsvolumen betrug 184.554,0 Punkte; das arztgruppendurchschnittliche Regelversorgungsvolumen (aRVV) betrug 143.355,1 Punkte.

Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch verwies die Klägerin auf ihren Antrag vom 10. August 2005.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Erweiterung der der praxisbezogenen Regelversorgungsvolumina durch Bescheid vom 28. Februar 2006 für das Quartal II/2005 ab.

Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin unter anderem geltend, sie sei als sog. junge Praxis zu behandeln. Entscheidend sei jedoch die unzutreffende Berechnung des arztgruppendurchschnittlichen Regelversorgungsvolumens. Die zugrunde liegende Zahlenbasis sei winzig und ermögliche keine statistisch relevanten Aussagen. Zudem seien die ohnehin nur sieben Praxen zur Hälfte Jungpraxen. Sie beantrage die Zuweisung zumindest der Hälfte dessen, was den Chirurgen zugestanden werde oder aber die Einbeziehung der Plastischen Chirurgen als Untergruppe in die Gruppe der Chirurgen.

Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Honorarbescheid durch Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2006 zur...

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