Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Berufungsrücknahme. Wirksamkeit einer Prozesserklärung. Kündigung des Mandatsvertrags. Erlöschen der Prozessvollmacht
Orientierungssatz
Die Zurücknahme der Berufung bewirkt den Verlust des Rechtsmittels. Dies gilt selbst dann, wenn die Zurücknahme vom beauftragten Rechtsanwalt erklärt wird und dessen Mandat im Zeitpunkt der Abgabe der Zurücknahmeerklärung bereits gekündigt war. Kraft der ihm erteilten und dem Gericht bekannt gemachten Prozessvollmacht gilt der Anwalt im Außenverhältnis zum Gericht doch noch als Prozessbevollmächtigter.
Nachgehend
Tenor
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren durch Zurücknahme der Berufung erledigt ist. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig die mit Bescheid der Beklagten vom 30. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2005 erfolgte Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für Zeiten zwischen dem 7. Januar und dem 31. Dezember 2004 sowie die zugleich erfolgte Aufforderung zur Erstattung von 7.121,16 Euro Arbeitslosenhilfe und 1.089,54 Euro Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen.
Das Sozialgericht hat die hiergegen gerichtete Klage, die zuletzt von den Rechtsanwälten P. aufgrund einer von dem Kläger mit Datum vom 10. Januar 2006 erteilten Prozessvollmacht weiter betrieben worden war, mit Urteil vom 27. September 2007 abgewiesen. Gegen dieses Urteil legten die Rechtsanwälte P. am 8. Januar 2008 Berufung ein. Mit Schreiben vom 20. März 2008, bei Gericht als Telefax eingegangen am gleichen Tag und im Original am 25. März 2008, wurde die Berufung von den Rechtsanwälten P. zurückgenommen. Einem Telefonvermerk vom 25. März 2008 zufolge hat der Kläger an diesem Tag bei Gericht angerufen und erklärt, die Rücknahme sei vorschnell erfolgt. Die Berufung solle auf keinen Fall zurückgenommen werden. In einem späteren Telefonat hat er angegeben, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die Rücknahme bei Gericht eingegangen sei, er die Vollmacht bereits widerrufen habe. Mit Schreiben vom 6. April 2008 erklärte der Kläger schließlich "sofortigen Widerspruch" gegen die Berufungsrücknahme. Mit Schreiben vom 15. Mai 2008 haben die Rechtsanwälte P. mitgeteilt, dass der Kläger von ihnen nicht mehr vertreten werde. Von diesem Zeitpunkt an war der Kläger postalisch nicht mehr zu erreichen. Er meldete sich lediglich noch einmal mit einem Telefax vom 28. Januar 2010 bei Gericht, das ohne eine Adressangabe von einem Call-Shop abgesandt wurde, und beantragte Fristverlängerung für die Berufungsbegründung.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. September 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass das Berufungsverfahren durch Zurücknahme der Berufung erledigt ist, hilfsweise die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. April 2011 wurde der Kläger aufgrund des Beschlusses des Senats vom 21. März 2011, der ab dem 23. März 2011 an die Gerichtstafel geheftet wurde und dort zumindest bis zum Verhandlungstermin aushing, durch öffentliche Zustellung geladen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte des Gerichts (2 Bände) Bezug genommen, die vorgelegen hat und Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte trotz des Ausbleibens des Klägers zur mündlichen Verhandlung am 27. April 2011 entscheiden, da der Kläger nach § 63 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 185 ff Zivilprozessordnung ordnungsgemäß durch öffentliche Zustellung geladen und dabei darauf hingewiesen wurde, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung hat sich durch die wirksame Zurücknahmeerklärung der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 20. März 2008 erledigt. Dies folgt aus § 156 Abs. 2 Satz 1 SGG. Danach bewirkt die Zurücknahme den Verlust des Rechtsmittels. Die Zurücknahme haben die Rechtsanwälte P. als Prozessbevollmächtigte des Klägers wirksam erklärt. Dies gilt selbst dann, wenn der Kläger, wie von ihm behauptet, den Mandatsvertrag zum Zeitpunkt der Abgabe der Zurücknahmeerklärung bereits gekündigt hatte. Denn selbst wenn die Rechtsanwälte P. im Innenverhältnis zum Kläger nicht mehr befugt gewesen sein sollten, für den Kläger Prozesserklärungen abzugeben, so galten sie kraft der ihnen erteilten und dem Gericht bekannt gemachten Prozessvollmacht im Außenverhältnis zum Gericht doch noch als dessen Prozessbevollmächtigte. Damit musste sich der Kläger die Prozessführung durch die Rechtsanwälte P. zurechnen lassen (vgl. BSG, Beschluss vom 7.12.2000 - B 8 KN 11/00 U B, SozR 3...