Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe für Deutsche im Ausland. Leistungsausschluss. Ausnahme. Vorliegen einer außergewöhnlichen Notlage. Unmöglichkeit einer Rückkehr ins Inland. Rückkehrwille. Pflege und Erziehung eines Kindes im Ausland

 

Orientierungssatz

1. § 24 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 12 setzt voraus, dass der ernsthafte Wille des Kindes bzw seines Elternteils vorliegt, zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit nach Deutschland zurückzukehren, und dies allein infolge objektiver Hindernisse scheitert (vgl LSG Stuttgart vom 27.6.2011 - L 2 SO 2138/11 ER-B = ZFSH/SGB 2011, 548).

2. Eine außergewöhnliche Notlage iS des § 24 Abs 1 S 2 SGB 12 setzt eine erhebliche Gefährdung existenzieller Rechtsgüter, insbesondere des Lebens, der Gesundheit oder anderer Grundvoraussetzungen einer menschenwürdigen Existenz voraus (vgl LSG Stuttgart vom 16.10.2013 - L 2 SO 3798/12 = ZFSH/SGB 2014, 107).

 

Normenkette

SGB XII § 24 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.10.2017; Aktenzeichen B 8 SO 11/16 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der Kläger ist im Jahr 2006 in H. geboren und besitzt die d. Staatsangehörigkeit. Seine allein sorgeberechtigte Mutter ist B., sein Vater D. Nach der Scheidung seiner Eltern im Jahr 2007 kehrte die Mutter des Klägers mit ihm zusammen nach B. zurück.

Mit Schreiben vom 13. Januar 2010, bei der Beklagten eingegangen am 25. Januar 2010, beantragte der Kläger unter Hinweis auf seine d. Staatsangehörigkeit die Gewährung von Sozialhilfe für D. im Ausland. Seine Mutter schilderte in diesem Zusammenhang ausführlich ihre persönliche und wirtschaftliche Situation und eine aus ihrer Sicht fehlende Unterstützung sowohl von b. als auch von d. Behördenseite. Sie erhalte keinerlei soziale Leistungen in B ... Eine Rückkehr nach D. würde sie - die Mutter wie auch den Kläger - dem Risiko der Obdachlosigkeit und der Mittellosigkeit aussetzen. Allenfalls sei an eine stufenweise Rückkehr nach D. zu denken und auch dies nur, wenn dem Kläger Gleichbehandlung mit anderen d. Kindern zugesichert werde. De facto sei der Kläger aus D. vertrieben und von d. Seite als Rechtloser behandelt worden.

Mit Bescheid vom 16. Februar 2010 lehnte die Beklagte eine Leistungsgewährung unter Hinweis auf § 24 Abs. 1 SGB XII ab, wonach D., die ihren Aufenthalt im Ausland haben, grundsätzlich keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz könne nicht gemacht werden.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2010 zurückgewiesen wurde. Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII könnten abweichend von der Regelung, dass D. mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten, ausnahmsweise Leistungen ins Ausland nur dann gewährt werden, wenn dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar und zugleich nachgewiesen sei, dass eine Rückkehr ins Ausland aus den in den Ziffern 1 bis 3 der gesetzlichen Regelung näher aufgeführten Gründen nicht möglich erscheine. Einschlägig könne nur die Ziffer 1 sein, wonach ausnahmsweise eine Leistungsgewährung ins Ausland bei Pflege und Erziehung eines Kindes in Betracht komme, welches aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben müsse. Dieser Ausnahmetatbestand betreffe aber nur d. Elternteile und erfasse nicht - wie hier geltend gemacht - einen Anspruch des Kindes selbst.

Hiergegen hat der Kläger am 15. Juli 2010 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und geltend gemacht, dass der Wortlaut des § 24 SGB XII keinen Anhaltspunkt dafür enthalte, dass nur Eltern anspruchsberechtigt seien. Der Ausschluss des Kindes aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten stelle eine verbotene Diskriminierung aufgrund Alters da. Ein Kind müsse dem Wohnsitz der sorgeberechtigten Mutter folgen. Der Mutter des Klägers sei es aber nicht möglich, nach D. zurückzukehren. Der Kläger hat zudem Schadenersatzleistungen gefordert.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten unter Hinweis auf den Widerspruchsbescheid und hat ergänzt, dass der Kläger - wie auch seine Mutter - ohne weiteres in die Bundesrepublik zurückkehren und gegebenenfalls hier Sozialhilfe beziehen könne.

Nach Anhörung hat das Sozialgericht die Klage durch Gerichtsbescheid vom 11. April 2013 abgewiesen und zur Begründung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Das Gericht teile die Auffassung der Beklagten, dass ausgehend von dem in § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB XII normierten Grundsatz, dass D., die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Sozialhilfe nach dem SGB XII erhalten, eine ausnahmsweise Leistungsgewährung im Einzelfall zur Abwendung einer außergewöhnlichen Notlage zwar möglich sei, wenn Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben müsse, eine Rückkehr unmöglich machten, dieser in § 24 Abs. 1 Ziffer 1 SGB XII normierte Ausnahmetatbestand a...

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