Entscheidungsstichwort (Thema)

Gründungszuschuss. Aufnahmezeitpunkt der selbstständigen Tätigkeit. Vorbereitungshandlungen. Abschluss des Handelsvertretervertrages. kein ausreichender Restanspruch auf Arbeitslosengeld zu diesem Zeitpunkt. fehlender enger zeitlicher Zusammenhang zum Bezug von Arbeitslosengeld. Beschäftigungslosigkeit. Rückübertragung vom Einzelrichter auf den Spruchkörper. Gesetzlicher Richter

 

Orientierungssatz

1. Der Rechtsprechung des BSG, dass der Anspruch auf Gründungszuschuss keine Nahtlosigkeit verlange, sondern lediglich ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Existenzgründung und dem vorausgehenden Arbeitslosengeldanspruch, der etwas einen Monat betragen könne, schließt sich der Senat nicht an (entgegen BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 11/09 R = SozR 4-4300 § 57 Nr 6). Vom Gesetzeswortlaut her ist die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in § 93 Abs 1 SGB 3 einerseits und § 93 Abs 2 SGB 3 anderseits gleichbedeutend zu verstehen, was voraussetzt, dass iS von § 93 Abs 1 SGB 3 tatsächlich die Arbeitslosigkeit und nicht die Beschäftigungslosigkeit durch die Tätigkeitsaufnahme beendet werden muss und dass an die Anerkennung von mit Außenwirkung vorgenommenen Vorbereitungshandlungen als Aufnahmezeitpunkt iS von § 93 Abs 2 SGB 3 höhere Anforderungen zu stellen sind, als das BSG es bislang angenommen hat, um einen Gleichklang der Vorschriften zu gewährleisten (vgl LSG Hamburg vom 3.2.2016 - L 2 AL 23/15).

2. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist vorliegend als Aufnahmezeitpunkt iS des § 93 Abs 1, Abs 2 SGB 3 der Tag des Abschlusses des Handelsvertretervertrages anzunehmen, an dem aber kein ausreichender Restanspruch auf Arbeitslosengeld gem § 93 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 3 mehr bestand. Auch wenn man einen solchen rückblickend aufgrund der erfolgten rückwirkenden (Teil)Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung annehmen würde, würde es an dem unmittelbaren Vorbezug von Arbeitslosengeld mangeln.

 

Normenkette

SGB III § 93 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, § 138 Abs. 1 Nr. 1; SGB X § 34 Abs. 1; SGG § 153 Abs. 5, § 202 S. 1; ZPO § 526 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; GG Art. 100 Abs. 1 S. 2

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.06.2017; Aktenzeichen B 11 AL 13/16 R)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist ein Anspruch auf Gründungszuschuss.

Der ... geborene Kläger ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann und ausgebildeter Bühnendarsteller. Bis Dezember 2013 war er als Teamleiter beim Unternehmen E. beschäftigt. Nach dessen Arbeitslosmeldung bewilligte die Beklagte ihm antragsgemäß mit Bescheid vom 4. März 2014 Arbeitslosengeld ab 8. Januar 2014 für 360 Tage.

Am 23. September 2014 ging der bereits mündlich am 1. August 2014 gestellte Antrag auf einen Gründungszuschuss für die nach eigenen Angaben ab 7. August 2014 aufgenommene selbstständige hauptberufliche Tätigkeit als Handelsvertreter für die Firma V. bei der Beklagten ein. Beigefügt waren die Stellungnahme der Handelskammer H. als fachkundige Stelle vom 22. September 2014, eine Gewerbeanmeldung vom 11. August 2014 zum 7. August 2014, ein Handelsvertretervertrag zwischen dem Kläger und der Firma V. vom 21. August 2014 mit Wirkung ab 15. September 2014, die Teilnahmebescheinigung an einem Coaching durch die Wirtschaftsberatung vom 14. Oktober 2013 sowie ein Businessplan vom 8. September 2014, aus dem unter anderem auch hervorging, dass in Vorbereitung auf die spätere Tätigkeit noch ein 3-monatiges Fachseminar bei der Firma V. mit abschließender Prüfung zum Fachberater für Elektroartikel absolviert würde.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. Januar 2015 ab. Es fehle an einem Nachweis über die Aufnahme der Tätigkeit am 7. August 2014. Die Aufnahme sei laut Handelsvertretervertrag erst zum 15. September 2014 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe kein Restanspruch auf Arbeitslosengeld im Umfang von mindestens 150 Tagen mehr bestanden. Im Übrigen fehle es an dem Nachweis des Besuchs des Fachseminars und der Prüfung zum Fachberater Elektroartikel, sodass das Vorliegen der unternehmerischen Eignung zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit nicht festgestellt werden könne.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 21. Januar 2015 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2015 zurück.

Nachdem der Kläger - letztendlich erfolglos (ablehnender Beschluss des Sozialgerichts vom 11. März 2015 - S 14 AL 62/15 ER -, die Beschwerde zurückweisender Beschluss des erkennenden Senats vom 29. April 2015 - L 2 AL 14/15 B ER -) - um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht hatte, hat er am 16. Februar 2015 zwecks Gewährung eines Gründungszuschusses Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Vorbereitungshandlungen ausreichten, hier also die Gewerbeanmeldung zum 7. August 2014, dem Zeitpunkt, ab dem auch das Finanzamt von einer Steuerpflicht ausgehe....

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