Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilhabe am Arbeitsleben. Förderung der Berufsausbildung. Internatsunterbringung mit Schließzeiten. Anspruch auf Übernahme der Kosten für die ständige Vorhaltung einer eigenen Unterkunft wegen Schließzeiten. Teilnahmekosten

 

Orientierungssatz

Im Fall einer geförderten Berufsausbildung bei Unterbringung in einem Internat und ständiger Vorhaltung einer eigenen Unterkunft wegen Heimfahrten während der Schließzeiten hat der behinderte Mensch keinen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Verpflegung sondern einen pauschalierten Anspruch gem § 128 SGB 3.

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Juli 2015 abgeändert: Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 26. August 2014 in der Gestalt des Bescheides vom 5. September 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2014 sowie des Bescheides vom 11. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2015 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. bis zum 30. September 2014 sowie vom 1. Oktober 2015 bis zum 31. August 2017 weitere Teilnahmekosten in Höhe von 269 Euro monatlich zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Der am x. geborene Kläger ist stark sehbehindert (Visus rechts 0,125 und links 0,1, GdB 70, Nachteilsausgleiche mit den Merkzeichen G, B und RF). Er bezog im Juli 2012 eine knapp 49 qm große Wohnung in H., die er zusammen mit seinem Vater angemietet hatte. Die Kaltmiete beträgt 470,08 Euro, die Warmmiete betrug zunächst 556,08 Euro brutto und ab dem 1. Oktober 2014 dann 572,08 Euro. Nach dem Abbruch der Handelsschule bezog der Kläger zunächst Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom Beigeladenen.

Der Kläger nahm zum 1. September 2014 eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration beim S. (i.F.: Maßnahmeträger) in C. auf, die bis zum 31. August 2017 dauern soll. Laut Vertrag werden ihm 31 Arbeitstage ausbildungsfreie Zeit im Jahr gewährt,

hinsichtlich der Entlohnung verweist der Vertrag auf den Bescheid der Beklagten als Kostenträgerin. Der Kläger wird - was unstreitig ist - während der Dauer der Maßnahme vom Maßnahmeträger in einem Internat untergebracht. Die Kosten hierfür werden von der Beklagten getragen und unmittelbar an den Maßnahmeträger gezahlt. In dem vom Maßnahmeträger erstellten Schließzeitenplan sind (ausweislich dessen Auskunft vom 7. September 2015, die der Kläger dem erkennenden Senat im Verfahren L 2 AL 43/15 B ER vorgelegt hat) feste Zeiten festgelegt, an denen das Internat geschlossen hat. Dies geschieht alle zwei Wochen für das Wochenende, weiterhin an Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten sowie während einer mehrwöchigen Sommerschließzeit.

Mit Bescheid vom 26. August 2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 5. September 2014 bewilligte die Beklagte folgende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben:

Art

Dauer

Höhe

Ausbildungsgeld

1. September 2014 bis zum 28. Februar 2016

104 Euro monatlich

Reisekosten

(Familienheimfahrten)

1. September 2014 bis 31. August 2017

452 Euro monatlich

Maßnahmekosten

1. September 2014 bis 31. August 2017

Erstattung SV-Betrag

1. September 2014 bis 31. August 2017 sowie

„Reisekosten einmalig“

1. September 2014 bis 31. August 2017

549,40 Euro

Der Kläger legte am 25. September 2014 Widerspruch ein und führte aus, bei der Bewilligung sei noch nicht berücksichtigt worden, dass der Beigeladene, der bislang für Lebensunterhalt und Wohnungsmiete aufgekommen sei, seine Leistungsbewilligung mit der Begründung aufgehoben habe, der Kläger habe eine Arbeit aufgenommen. Er benötige jedoch eine Bleibe, da das Internat alle 14 Tage für das Wochenende sowie zu Urlaubszeiten schließe. Die Beklagte möge einen weiteren Bedarf in Höhe von 572,08 Euro berücksichtigen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2014 zurück: Weitere Kosten könnten nach den §§ 127, 128 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) nur übernommen werden, wenn sie (wie etwa Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte) durch die Ausbildung entstünden und die Unterbringung nicht in einem Wohnheim, Internat oder einer besonderen Einrichtung erfolge. Die Kosten für eine Wohnung am Heimatort seien allerdings nicht unmittelbar durch die Berufsausbildung entstanden.

Der Beigeladene hatte mit Bescheid vom 5. September 2014 die laufende Leistung von Arbeitslosengeld II (Alg II) aufgehoben und einen Fortzahlungsantrag mit Bescheid vom 30.

September 2014 abgelehnt. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und beantragte Eilrechtsschutz beim Sozialgericht Hamburg (Az. S 15 AS 3490/14 ER). Der Beigeladene bewilligte mit Bescheiden vom 17. Oktober 2014, 24. März 2015, 21. September 2015 und 7. April 2016 einen Zuschuss zu...

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