Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Verwaltungsratsmitglied einer Krankenkasse. Amtsenthebung wegen Amtspflichtverletzungen. Wählbarkeit. freiberufliche Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die aufsichtsrechtliche Verpflichtung des Verwaltungsrates eines Versicherungsträgers, ein Mitglied wegen des Vorwurfs von Amtspflichtverletzungen in vergangenen Amtsperioden seines Amtes zu entheben, setzt eine noch hinreichende zeitliche Nähe von zudem tatsächlich feststehenden Amtspflichtverletzungen voraus.

2. Das Merkmal der freiberuflichen Tätigkeit in § 51 Abs 6 Nr 6a SGB 4 lässt sich nicht dahin interpretieren, dass es auch die gewerbliche Tätigkeit erfasst.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2011 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der seine Kosten selbst trägt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist die Rechtmäßigkeit eines aufsichtsrechtlichen Verpflichtungsbescheides.

Die klagende SECURVITA BKK ist eine bundesunmittelbare und für Betriebsfremde geöffnete Betriebskrankenkasse mit Sitz in H.. Sie geht als Betriebskrankenkasse zurück auf die S. Gesellschaft zur Entwicklung alternativer Versicherungskonzepte mbH (im Folgenden: S. GmbH), die Teil der 1984 von Herrn T.M. - dem Beigeladenen - gegründeten Unternehmensgruppe S. Holding AG ist. Zur S. Holding AG gehören neben der S. GmbH die S. Finanzdienstleistungen GmbH und die S. Versicherungsmakler GmbH. Die S. GmbH, deren Alleingesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beigeladene war und ist, ist das Satzungs- bzw. Trägerunternehmen der 1996 gegründeten Klägerin, deren Verwaltungsratsvorsitzender der Beigeladene auch war und ist. Mit der S. GmbH schloss die klagende Krankenkasse zahlreiche Verträge; fünf davon sind Streitgegenstand in den Senatsverfahren L 1 KR 47/11 KL bis L 1 KR 51/11 KL.

Die Klägerin mietete im Dezember 2002 - Mietvertrag über ein noch zu erstellendes Bürogebäude; neuer Mietvertrag im Dezember 2004 mit Nachträgen - in H. am L. Flächen von der L1 (im Folgenden: L1 GmbH), in die sie im Februar 2007 einzog. Die Gesamtfläche betrug 12.960 qm. Das Nutzungskonzept sah 8.500 qm Eigennutzungsfläche vor (einschließlich 1.000 qm Reserve), 1.000 qm Büroflächennutzung durch die S. GmbH, 260 qm für die Schanzenbäckerei und 3.200 qm für ein Gesundheitszentrum.

Die L1 GmbH war erst kurz vor diesem Mietvertragsabschluss mit der Klägerin im September 2002 gegründet worden. Ihr Stammkapital in Höhe von je 50.000 EUR wurde zunächst von der S. GmbH und der H1 GmbH gehalten. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der L1 GmbH war bis Dezember 2004 der Beigeladene. Die L1 GmbH kaufte nach dem Mietvertragsabschluss mit der Klägerin im November 2004 von der Freien und Hansestadt Hamburg das unbebaute Grundstück L2 zur Bebauung für betriebliche Zwecke der Firma S..

Die S. GmbH veräußerte nach Abschluss dieses Kaufvertrags mit der Stadt Hamburg im November 2004 ihren Geschäftsanteil an der L1 GmbH für 4.225.000 EUR an die Versicherungskammer B. AG. Zuvor war die S. GmbH von der Klägerin noch mit Krediten unterstützt worden.

Die Klägerin vermietete von ihr nicht genutzte Flächen der von ihr von der L1 GmbH gemieteten Flächen an die S. GmbH zur Nutzung als Firmensitz unter.

Mit Schreiben der Stadt Hamburg vom 20. Dezember 2007 stimmte diese als Verkäuferin des Grundstücks am L. gegenüber der L1 GmbH als Käuferin der “Untervermietung durch die S. an ein Gesundheitszentrum„ “zu, sofern es sich bei dem Betreiber um eine 100%ige Tochtergesellschaft der S. handelt„. Die Klägerin hatte schon zuvor am 26. Juli 2007 einen Untermietvertrag mit der L3 GmbH (im Folgenden: L3 GmbH) geschlossen. Am 30. Juli 2007 hatte sie als alleinige Gesellschafterin die L3 GmbH als 100%-ige Tochtergesellschaft gegründet, und mit ihr das Ziel verfolgt, ein Gesundheitszentrum zu errichten und zu betreiben (s. das Senatsverfahren L 1 KR 156/11 KL).

Diese Vorgänge mit Blick auf den Kaufvertrag, die Mietverträge und Untermietverträge sowie weitere die Klägerin betreffende Sachverhalte unterzog die Beklagte einer umfangreichen aufsichtsrechtlichen Prüfung. Diese endete im November 2010 und fand ihren Abschluss im “Bericht über die Prüfung der SECURVTA BKK 2010„ vom 11. März 2011, zu dem die Klägerin unter dem 20. Februar 2012 Stellung nahm.

Mit aufsichtsrechtlichem Beratungsschreiben nach § 89 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) vom 4. Februar 2011 an die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Verwaltungsrats der Klägerin teilte die Beklagte mit, sie habe schwerwiegende Amtspflichtverletzungen seitens des Vorsitzenden des Verwaltungsrates, des Beigeladenen, festgestellt. Diese seien so gravierend, dass sich die Beklagte veranlasst sehe, die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Verwaltungsrates aufsichtsrechtlich dahingehend zu beraten, die unverzügliche Amtsenthebung des Beigeladenen nach § 59 Abs. 3 Satz 1 in Verbindu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge