Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Erstattung von Leistungen der Leistungsträger untereinander
Orientierungssatz
1. Nach § 104 SGB 10 hat der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Erstattungsanspruch gegen den anderen Sozialleistungsträger, wenn einer leistungsberechtigten Person für denselben Zeitraum, für den ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen nach dem SGB 2 erbracht hat, eine andere Sozialleistung bewilligt.
2. Eine Erstattungspflicht besteht nur, soweit der in Anspruch genommene Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (BSG Urteil vom 25. 1. 1994, 7 RAr 42/93).
3. Hat hiernach die Agentur für Arbeit mit befreiender Wirkung Leistungen des SGB 3 erbracht, so besteht kein Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers, der zur Erfüllungsfiktion nach § 107 Abs. 1 SGB 10 führen könnte. Vielmehr hat der Grundsicherungsträger unter Anrechnung des ausgezahlten Arbeitslosengeldes als Einkommen die Bewilligung von Leistungen des SGB 2 aufzuheben und nach § 50 Abs. 1 SGB 10 vom Grundsicherungsberechtigten Erstattung zu verlangen.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 13. März 2019 und der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 2016 in der Fassung des Bescheids vom 18. September 2019 aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist noch eine Erstattungsforderung.
Der 1968 geborene Kläger meldete sich bei der Beklagten nach außerordentlicher Kündigung seines Arbeitsverhältnisses als Kommissionierer zum 18. Juni 2015 ab dem Folgetag arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, das ihm mit Bescheid vom 6. Juli 2015 in Höhe von monatlich 927,00 Euro (Leistungsbetrag täglich 30,90 Euro) für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen bewilligt wurde, wobei allerdings zunächst ein Ruhen des Zahlungsanspruchs vom 19. Juni bis einschließlich 10. September 2015 wegen Urlaubsabgeltung (19. Juni bis 8. Juli) und einer zwölfwöchigen Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe (19. Juni bis 10. September) festgestellt wurde.
Das beigeladene Jobcenter bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 28. Juli 2015 Arbeitslosengeld II in Höhe von 785,15 Euro für den Monat August und 386,95 Euro für den Monat September; für die Monate Juni und Juli 2015 wurde wegen fehlender Hilfebedürftigkeit aufgrund des im Juni noch gezahlten Arbeitsentgelts sowie einer im Juli zugeflossenen Steuernachzahlung ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II abgelehnt (Bescheid vom 10. Juli 2015).
Am 3. September 2015 wurde in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich im Rahmen der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage ein Ende des Arbeitsverhältnisses aufgrund ordentlicher Kündigung zum 31. Juli 2015 mit entsprechender Nachzahlung von Entgelt vereinbart.
Mit zwei Tage später bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 8. September 2015 teilte der Beigeladene mit, dass er dem Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zahle. Nach seinen Feststellungen habe der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Hiermit mache er einen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend. Da die Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II Schwankungen unterworfen seien, bitte er die Beklagte, ihn vor Bewilligung von deren Leistungen zu benachrichtigen und die Nachzahlung zunächst einzubehalten. Er werde der Beklagten dann mitteilen, inwieweit ein Erstattungsanspruch bestehe und den Erstattungsbetrag bei ihr anfordern.
Am 17. September 2015 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid und bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld mit einem Zahlungsanspruch ab dem 1. August 2015. Bis dahin ruhe dieser wegen der Zahlung von Arbeitsentgelt. Noch am selben Tag zahlte sie das monatliche Arbeitslosengeld für den August in Höhe von 927,00 Euro an den Kläger aus.
Am 28. September 2015 schrieb die Beklagte an den Beigeladenen, dass sie den Erstattungsanspruch des Beigeladenen nicht erfüllen könne, weil sie das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. August bis 30. September 2015 bereits an den Kläger ausgezahlt habe.
Am 30. September 2015 zahlte sie das monatliche Arbeitslosengeld für den September in Höhe von 927,00 Euro an den Kläger aus.
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2015 bat der Beigeladene den Beklagten um Erstattung von insgesamt 1197,10 Euro, die sich zusammensetzten aus von ihm erbrachten Leistungen in Höhe von 786,15 Euro für August und 410,95 Euro für September.
Nachdem im Zusammenhang mit Streitigkeiten wegen der Leistungshöhe vor dem Hintergrund eines höheren Bedarfs des Klägers aufgrund der Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter sowie Erbringung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz durch den Landkreis C. sowohl die Beklagte (Abzwei...