Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütungsanspruch eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse. Geltung der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB 10 in Krankenhausbehandlungsfällen bei einer Leistung durch einen unzuständigen Träger

 

Orientierungssatz

1. Die Erstattungsregelungen der §§ 102ff SGB 10 sind grundsätzlich anwendbar, wenn eine unzuständige Krankenkasse den Vergütungsanspruch des Krankenhauses erfüllt hat (vgl BSG vom 30.6.2009 - B 1 KR 21/08 R = SozR 4-1300 § 111 Nr 5).

2. Die §§ 102ff SGB 10 stellen für die Fälle einer Leistung durch den unzuständigen Träger abschließende Regelungen dar, die sicherstellen sollen, dass die Rückabwicklung ausschließlich im Verhältnis der jeweiligen Träger erfolgt. Rückforderungsansprüche gegen den Empfänger der Sozialleistung sind dagegen ausgeschlossen. Die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB 10 gewährt dem Leistungsempfänger einen Rechtsgrund, die Leistung zu behalten und schließt somit Rückforderungsansprüche gegen diesen aus, sodass der unzuständige Leistungsträger kein Wahlrecht hat, die Erstattung entweder vom anderen Leistungsträger oder vom Leistungsempfänger zurückzufordern (vgl BSG vom 26.4.2005 - B 5 RJ 36/04 R = SozR 4-1300 § 107 Nr 2 und vom 22.5.2002 - B 8 KN 11/00 R = SozR 3-2600 § 93 Nr 12). In Krankenhausbehandlungsfällen muss dies ebenso für das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse gelten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.03.2017; Aktenzeichen B 1 KR 15/16 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beigeladenen wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die restliche Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

In dem Krankenhaus des Klägers wurde vom 30. November 2004 bis 2. Februar 2005 die bei der Beklagten versicherte Patientin E. O. (*... 1939) wegen einer akuten Gehirnblutung stationär behandelt. Die Aufnahmeanzeige wurde jedoch an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen übermittelt, da es zu einer Verwechselung mit der dort versicherten E.-M. O. (*... 1942) gekommen war. Diese gab eine bis zum 13. Dezember 2004 befristete Kostenübernahmeerklärung ab. Am 16. Dezember 2004 stellte der Kläger einen Verlängerungsantrag.

Auf die Schlussrechnung vom 17. Februar 2005 über insgesamt 30.977 EUR zahlte die Beigeladene im Hinblick auf die befristete Kostenübernahmeerklärung am 22. März 2005 zunächst einen Teilbetrag von 6.726,06 EUR und später weitere 78,11 EUR. Nach erfolgter Mahnung des Klägers hinsichtlich des Restbetrages bemerkte die Beigeladene die Verwechselung und machte mit Schreiben vom 9. März 2005 gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch geltend. Diese lehnte die Erstattung mit Schreiben vom 17. März 2006 unter Verweis auf den Ablauf der Ausschlussfrist nach § 111 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ab.

Der Kläger übersandte der Beklagten am 22. März 2006 die Aufnahme- und Entlassungsanzeigen und am 5. April 2006 eine Rechnung über den Betrag von 24.173 EUR, den die Beklagte zahlte.

Mit Schreiben vom 23. Juni 2006 forderte die Beigeladene von dem Kläger die Rückzahlung der irrtümlich geleisteten Zahlung. Am 24. November 2006 kam der Kläger dieser Aufforderung nach. Die Beklagte lehnte es ab, ihrerseits diesen Betrag an den Kläger zu zahlen.

Mit seiner am 30. Dezember 2008 erhobenen Klage hat der Kläger die Zahlung von 6.804,17 EUR nebst Zinsen von der Beklagten, hilfsweise von der Beigeladenen, begehrt und einen Zinsanspruch für die Zeit vom 17. März 2005 bis 20. April 2006 auf 24.173,50 EUR geltend gemacht.

Das Sozialgericht hat die Beigeladene mit Urteil vom 29. November 2013 zur Zahlung von 6.804,17 EUR nebst Prozesszinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat ausgeführt, ein Anspruch gegen die Beklagte bestehe nicht, da dieser durch die Zahlung des unzuständigen Leistungsträgers nach § 107 SGB X erfüllt worden sei. Denn dem Grunde nach habe ein Erstattungsanspruch der Beigeladenen gegenüber der Beklagten bestanden. Deshalb sei der Beigeladenen die Rückforderung gegenüber dem Kläger auch verwehrt gewesen, sie habe sich vielmehr nach der Systematik der Erstattungsregelungen allein an die Beklagte halten müssen. Dass sie damit nicht erfolgreich gewesen sei, habe allein daran gelegen, dass sie die Ausschlussfrist nicht eingehalten habe. Es könne dahin stehen, ob hiervon abweichende landesvertragliche Regelungen wirksam sein könnten, da deren Voraussetzungen jedenfalls nicht erfüllt seien. Die Klage sei daher gegen die Beigeladene begründet, denn insoweit bestehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, da der Kläger den streitigen Betrag ohne Rechtsgrund an diese zurückgezahlt habe. Es bestehe allerdings mangels Verzuges nur ein Anspruch auf Prozesszinsen ab dem Zeitpunkt des Zugangs der Beiladung.

Die Beigeladene hat dagegen Berufung eingelegt und trägt vor, die Regelungen der ausschließlich im Verhältnis der Leistungsträger untereinander anw...

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