Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Arbeitslosengeld-Bezieher. Anspruch auf Krankengeld. abschnittsweise Bewilligung. Arbeitsunfähigkeit ist vor jedem Bewilligungsabschnitt eigenständig zu bewerten. § 47b Abs 1 SGB 5 regelt allein Höhe und Berechnung sowie den ersten Zahlungsbeginn, nicht die Voraussetzungen eines Krankengeldanspruches dem Grunde nach. lückenloser Nachweis der Mitgliedschaft erforderlich

 

Orientierungssatz

1. Das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldes ist - unabhängig davon, ob eine Arbeitsunfähigkeit (AU) während eines Beschäftigungsverhältnisses oder des Bezugs laufender Arbeitslosengeld-Leistungen eingetreten ist - für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen, da bei fortdauernder AU, aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu bewerten ist (ständige Rechtsprechung, vgl zB BSG vom 26.6.2007 - B 1 KR 8/07 R = SozR 4-2500 § 44 Nr 12 sowie aktuell BSG vom 4.3.2014 - B 1 KR 17/13 R = SozR 4-2500 § 192 Nr 6).

2. § 47b Abs 1 SGB 5 regelt allein die Höhe und Berechnung des Krankengeldes ua bei Beziehern von Arbeitslosengeld sowie den ersten Zahlungsbeginn regelmäßig nach der Lohnfortzahlung des Arbeitslosengeldes für sechs Wochen ab der 7. Woche der AU. Demgegenüber umfasst der Regelungszweck des § 47b Abs 1 SGB 5 nicht die Voraussetzungen eines Krankengeldanspruches dem Grunde nach.

3. Auch während des Bezugs von Arbeitslosengeld handelt es sich - wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses - um eine Mitgliedschaft als Pflichtversicherter, welche keine Unterbrechung erfahren darf, sondern lückenlos nachzuweisen ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.03.2019; Aktenzeichen B 3 KR 22/17 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 2. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob (weiterhin) ein Anspruch auf Krankengeld über den 30. Juni 2010 hinaus bis zum 10. September 2010 bestand.

Beim 1966 geborenen Kläger war während laufendem Arbeitslosengeldbezug ab dem 4. Mai 2010 eine Arbeitsunfähigkeit (AU) festgestellt worden. Am 6. Juni 2010 unterzeichnete der Kläger einen Hinweis der Beklagten zur mitgliedschaftserhaltenden Wirkung des Bezugs von Krankengeld mit u. a. folgendem Inhalt: “Endet das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis während des Anspruchs auf Krankengeld, so bleibt die Mitgliedschaft für die Dauer des Bezugs von Krankengeld bestehen. Entsprechendes gilt bei Wegfall von Arbeitslosengeld I. Wird die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit nicht lückenlos ärztlich festgestellt (d. h. spätestens am letzten Tag der zuletzt vorläufig bestätigten AU), endet die mit Krankengeldanspruch ausgestattete Mitgliedschaft (vgl. Urteile des BSG vom 26. Juni 2007, B 1 KR 08/07 R und vom 2. November 2007, B 1 KR 38/06 R).

Am 15. Juni 2010 hatte die Agentur für Arbeit die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall aufgehoben und der Kläger bezog in der Folge Krankengeld.

Am 14. Juni 2010 hatte der behandelnde Arzt Dr. S. eine Folgebescheinigung über eine AU bis zum 30. Juni 2010 ausgestellt. Erst am 1. Juli 2010 suchte der Kläger seinen behandelnden Arzt erneut auf und erhielt eine Folgebescheinigung bis zum 16. Juli 2010. Auf Anfrage der Beklagten wurde seitens der Praxis Dr. S. bestätigt, dass es am 30. Juni 2010 eine Sprechstunde gegeben habe.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2010 stellte die Beklagte eine Beendigung des Krankengeldbezuges zum 30. Juni 2010 wegen nicht rechtzeitiger Feststellung der Fortdauer der Erkrankung fest. Angesichts des Aufsuchens des behandelnden Arztes erst am 1. Juli 2010 liege keine lückenlos festgestellte AU vor.

Im hiergegen am 19. Juli 2010 eingelegten Widerspruch wurde geltend gemacht, dass bei Arbeitslosengeld-Beziehern nach § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V ein Anspruch schon vom ersten Tag der AU gegeben sei. Die Regelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V, wegen der für die ununterbrochene AU eine Feststellung am letzten Tag des vorangegangenen Zeitraumes erforderlich sei, sei hier daher nicht einschlägig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Es wurde nochmals betont, dass neben dem Vorliegen von AU auch das Erfordernis der jeweils erneut vorzunehmenden und lückenlos aneinander anschließenden ärztlichen Feststellungen der AU einzuhalten seien.

Am 30. September 2010 ist Klage vor dem Sozialgericht (SG) Rostock erhoben worden weiterhin mit der Begründung, dass die Regelung des § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V, wonach der Krankengeldanspruch bereits vom ersten Tage der AU entstehe (fortbestehe), als Sonderregelung dem Regelungsgehalt des § 46 SGB V vorgehe.

Für den Zeitraum vom 1. - 21. Juli 2010 wurde unter den Voraussetzungen des § 19 SGB V zwischenzeitlich Krankengeld nachgezahlt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom ...

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