Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit eines Klageverfahrens wegen Erwerbsminderungszeitrente bei paralleler Anhängigkeit eines Klageverfahrens wegen Erwerbsminderungsdauerrente - fehlendes Rechtschutzbedürfnis

 

Orientierungssatz

Hat der Versicherte mit zwei verschiedenen Anträgen sowohl Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer als auch Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit beantragt, so fehlt es für die auf Zeitrente gerichtete Klage an dem erforderlichen Rechtschutzbedürfnis, weil in dem über die Dauerrente anhängigen Klageverfahren zugleich über den zeitlich befristeten Rentenanspruch zu entscheiden ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.10.2020; Aktenzeichen B 13 R 59/19 B)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 12.05.2016 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über eine wiederholt vom Kläger beantragte Erwerbsminderungsrente.

Der 1960 geborene Kläger beantragte am 09.02.2011 bei der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 18.04.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab und wies den hiergegen am 10.05.2011 erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2012 als unbegründet zurück. Die hiergegen vom Kläger am 16.01.2012 erhobene Klage wurde vom Sozialgericht mit Urteil vom 12.05.2016 abgewiesen und ist nunmehr unter dem Aktenzeichen 7 R 144/16 in der Berufungsinstanz anhängig.

Am 08.05.2015, mithin nach Klageerhebung im ursprünglichen Verfahren, beantragte der Kläger erneut bei der Beklagten eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 13.05.2015 als unzulässig ab, weil über den vorherigen Rentenantrag noch nicht abschließend entschieden worden sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 20.05.2015 Widerspruch. Er machte geltend, jederzeit einen neuen Rentenantrag stellen zu können. Der Ablehnungsbescheid sei auch nicht Gegenstandsbescheid des vorherigen Rentenantragsverfahrens. Die materiellen Voraussetzungen des Rentenanspruchs lägen vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 17.09.2015 als unzulässig zurück und führte zur Begründung aus, ein Widerspruch gegen einen Gegenstandsbescheid sei unstatthaft.

Die hiergegen am 19.10.2015 erhobene Klage wurde durch das Sozialgericht Neubrandenburg mit Urteil vom 12.05.2016 wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen. Der Kläger hat gegen die am 19.05.2016 zugestellte Entscheidung am Montag dem 20.06.2016 Berufung eingelegt.

II.

Der Senat konnte über die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, was hier gegeben war. Die Beteiligten sind zur Entscheidung durch Beschluss auch angehört worden.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, weil dem Kläger das Rechtschutzbedürfnis für die Anfechtung des Bescheides vom 13.05.2015 fehlt.

Wie der Senat bereits in dem ablehnenden PKH-Beschluss vom 01.07.2017 ausgeführt hat, ist der angefochtene Bescheid zwar nicht Gegenstand des gegen den ursprünglichen Bescheid vom 18.04.2011 geführten Rechtsstreits geworden. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht aber gleichwohl nicht, weil in dem dortigen Rechtsstreit auch über das Vorliegen einer Erwerbsminderung des Klägers über den 13.05.2015 hinaus zu entscheiden sein wird. Denn eine Zäsurwirkung des Neuantrages, wie das BSG diese im Grundsicherungsrecht annimmt, tritt in Rentenverfahren nicht in gleicher Weise ein. Die Fallgestaltungen sind nicht vergleichbar, weil im Grundsicherungsrecht einzelne Leistungszeiträume zu bescheiden sind, während das SGB VI sowohl die Rente auf Dauer (welche im Verfahren L 7 R 144/16 geltend gemacht wird) als auch die Rente auf Zeit (die der Kläger ausdrücklich im vorliegenden Rechtsstreit geltend macht) kennt. Der Streitgegenstand des Verfahrens L 7 R 144/16 ist daher weiter und umfasst, da über den gesamten Zeitraum bis zur abschließenden mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist, auch in zeitlicher Hinsicht, den vorliegend geltend gemachten Anspruch.

Ginge man stattdessen davon aus, dass der Bescheid vom 13.05.2015 den ursprünglichen Ablehnungsbescheid ersetzt hat, wäre der neue Bescheid nach § 96 SGG Gegenstand des bereits laufenden Gerichtsverfahrens geworden. Einer gesonderten Klageerhebung stünde dann die anderweitige Rechtshängigkeit entgegen, so dass die Klage ebenfalls unzulässig wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14310914

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