Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Besorgnis der Befangenheit. ehrenamtlicher Richter. Beschäftigung beim Landkreis. Rechtsstreit gegen Rentenversicherungsträger
Leitsatz (amtlich)
Es besteht keine Besorgnis der Befangenheit einer ehrenamtlichen Richterin, allein weil sie Mitarbeiterin des Rechtsamtes eines Landkreises ist, in einem Rechtsstreit, der sich gegen einen Rentenversicherungsträger richtet.
Tenor
Der Antrag, die ehrenamtliche Richterin ... wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt mit der am 11. Februar 2009 bei dem Sozialgericht (SG) Rostock erhobenen Klage von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
In dem Verhandlungstermin vom 15. Juni 2011 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die ehrenamtliche Richterin ... wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung zu Protokoll erklärt, dass er derzeit für eine andere Prozesspartei einen Rechtsstreit in einer Sozialhilfeangelegenheit nach dem SGB XII gegen das Rechtsamt B. führe, bei dem die ehrenamtliche Richterin ... als Mitarbeiterin des Rechtsamtes beschäftigt sei.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2011 hat die Beklagte ausgeführt, dass in Zusammenhang mit dem vorliegenden Rechtsstreit ein Erstattungsanspruch nach §§ 103 f. SGB X des Jobcenters Landkreis B., Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit R. und des Landkreises B. - GbR -, vorliege.
In ihrer Stellungnahme vom 05. September 2011 hat die abgelehnte ehrenamtliche Richterin bestätigt, dass sie als Juristin im Rechtsamt des Landkreises B. tätig sei und diesen auch vor dem SG vertrete. Die Vertretung vor dem SG beinhalte Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich des SGB XII und Asylbewerberleistungen. Für Rechtsstreitigkeiten nach dem SGB II sei sie nicht zuständig. Das Jobcenter des Landkreises B. werde im gerichtlichen Verfahren von eigenen Mitarbeitern vertreten. Der Kläger sei ihr nicht persönlich bekannt. Dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers sie wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt habe, sei ihr völlig unverständlich. Der vorliegende Rechtsstreit habe mit dem von dem Prozessbevollmächtigten angeführten Rechtsstreit einer anderen Mandantin, der gegen die Stadt R. gerichtet sei und bei dem der Landkreis beigeladen sei, nichts zu tun und habe unterschiedliche Gebiete des Sozialrechts zum Gegenstand.
II.
Der Ablehnungsantrag nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 43 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hat keinen Erfolg.
Nach diesen Vorschriften kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Zur Ablehnung eines Richters ist danach nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Es reicht vielmehr aus, dass vom Standpunkt der Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände objektive Gründe vorliegen, die Anlass geben, an der Unbefangenheit, Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, die nicht auf solchen konkreten Tatsachen beruht, die bei einem vernünftig denkenden Menschen subjektives Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters hervorrufen könnte, reicht dagegen zur Ablehnung des Richters nicht aus.
Gemessen an diesen Grundsätzen besteht keine Besorgnis der Befangenheit.
Der Umstand, dass die ehrenamtliche Richterin ... als Juristin im Rechtsamt eines Landkreises tätig ist und diesen als Beigeladenen in einem sozialgerichtlichen Rechtsstreit nach dem SGB XII vertritt, den der Prozessbevollmächtigte des Klägers für eine andere Prozesspartei führt, ist mangels jeglicher Anhaltspunkte nicht geeignet, aus Sicht eines vernünftig denkenden Menschen ein subjektives Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten ehrenamtlichen Richterin zu begründen.
Unabhängig vom vorliegenden Rentenrechtsstreit folgt aus der Beschäftigung eines ehrenamtlichen Richters bei einem Landkreis nach § 17 Abs. 3 SGG lediglich, dass er nicht ehrenamtlicher Richter in der Kammer sein kann, die über Streitigkeiten aus dem Arbeitsgebiet des Landkreises entscheidet (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. A., § 17 SGG, Rn. 6). Dies betrifft etwa Rechtsstreitigkeiten nach dem SGB XII, weil zum Aufgabenbereich eines Landkreises - im Gegensatz zum Rentenrecht - das Sozialhilferecht nach dem SGB XII gehört.
Ebenso wenig ist die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches durch das Jobcenter des Landkreises Bad Doberan gegenüber der Beklagten geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Der Arbeitgeber der ehrenamtlichen Richterin ... ist lediglich als Leistungsträger für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II an dem Jobcenter beteiligt.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Fundstellen