Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme. Auslandsbehandlung. Retinitis Pigmentosa-Therapie in Kuba. Erblindung keine ausschließlich tödliche oder lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG
Orientierungssatz
1. Eine Leistungserbringung im Ausland kommt nur dann in Betracht, wenn außer Zweifel steht, dass es sich um eine sinnvolle und notwendige Maßnahme handelt (vgl LSG Neubrandenburg vom 18.2.1997 - L 4 Kr 4/96). Eine Kostenerstattung kommt nur in Betracht, wenn die Methode dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (hier: Retinitis Pigmentosa-Therapie in Kuba).
2. Eine Erblindung ist von der Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 zum Anspruch auf Versorgung mit einer Methode, die zwar nicht allgemein anerkannt ist, jedoch eine zumindest nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder nur eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht, nicht umfasst.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 24. März 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Kostenerstattung für eine Augenbehandlung in Kuba.
Der 1984 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet an einer Retinitis Pigmentosa. Es handelt sich um eine unheilbare Erkrankung der Augennetzhaut, die zu dem sogenannten Tunnelblick führt und in deren Endstadium die Erblindung droht.
Mit Schreiben vom 30. September 2002 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für die sogenannte Kuba-Therapie. Zur Begründung führte er aus, dass ihm inzwischen nur ein kleiner Sehrest verblieben sei. Prof. Dr. P in Havanna auf Kuba habe eine Operationsmethode in Verbindung mit einer Therapie entwickelt, die ein weiteres Absterben der Netzhaut verhindere und unter Umständen sogar eine Verbesserung des Sehvermögens eintreten lasse. Er verwies darauf, dass in Deutschland und in Europa keine Möglichkeit einer Therapie und einer Heilung bestehe. Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dipl.-Med. S führte in einem Gutachten nach Aktenlage aus, dass die Retinitis Pigmentosa eine Erbkrankheit sei, die zu einem Absterben der Sehzellen führe. Es gebe bis heute keine Therapie, die die Erkrankung zum Stillstand bringen könne. Die heutigen Ergebnisse der Forschung ließen viele Therapieansätze erkennen, die allerdings erst durch zukünftige Studien zu realen Therapiemöglichkeiten entwickelt werden müssten. Auch für die vorliegende Kuba-Therapie existiere keine Studie, die die Wirksamkeit der Methode belege. Mit Bescheid vom 19. November 2002 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kuba-Therapie nicht zu den allgemein anerkannten schulmedizinischen Behandlungsmethoden gehöre und damit nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sei. Auch nach der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts scheide eine Kostenübernahme aus.
Hiergegen erhob der Kläger mit einem Schreiben vom 01. Dezember 2002 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass nach seiner Kenntnis in den vergangenen Jahren tausende Patienten aus aller Welt in Kuba erfolgreich behandelt worden seien. Da sich sein Sehvermögen auf einen Rest von ca. 3 - 5 % stark verschlechtert habe, sei die Behandlung für ihn die letzte Chance. Er könne nicht verstehen, dass eine kleine Lobby von Augenärzten selbstherrlich diese Ergebnisse ignoriere, damit nur niemand ihre eigenen Forschungsergebnisse (und -gelder) in Zweifel ziehe. Aber wahrscheinlich sei die Behandlung zu einfach und es lasse sich kein Geld damit verdienen. Zur Prüfung lege er einen Kostenvoranschlag bei. Beigefügt war ein Kostenvoranschlag von Kuba-Reisen (R L aus G) vom 08. November 2002 in Höhe von insgesamt 11.741,00 €, wobei sich dieser Betrag aus den Behandlungskosten, Unterbringungs- und Anreisekosten nebst Kosten für eine Begleitperson zusammensetzte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Februar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kuba-Methode nicht dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zur Behandlung seiner Erkrankung entspreche. Die Wirksamkeit der Methode sei bisher durch keine Studie belegt. Da zudem keine akute lebensbedrohliche Situation bestehe, komme eine Kostenübernahme nicht in Betracht.
Der Kläger hat am 27. Februar 2003 Klage beim Sozialgericht (SG) Neubrandenburg erhoben. Zur Begründung hat sein Prozessbevollmächtigter im Kern vorgetragen, dass dem Kläger von Verfassungs wegen auch eine Therapie zur Verfügung stehen müsse, die zumindest die Möglichkeit eines Heilerfolges biete. Seit den 90er Jahren seien Tausende von Patienten in Kuba operiert worden. Teilweise würden die Kosten von privat...