Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilungsmaßstab. Benehmensherstellung. Zulässigkeit von rückwirkenden Änderungen

 

Orientierungssatz

1. "Benehmen" iS von § 85 Abs 4 S 2 SGB 5 bedeutet nicht, dass die Krankenkassenverbände einen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) ausdrücklich zustimmen müßten, umgekehrt bedeutet es jedoch auch nicht, dass die Krankenkassen nur informiert werden müßten. Vielmehr ist das "Benehmen" in seinem Stellenwert zwischen einem "Einvernehmen" und einer "Anhörung" anzusiedeln; es ist also erforderlich, dass die betroffenen Krankenkassenverbände über die anstehenden Änderungen des HVM informiert werden, Gelegenheit zur Stellungnahme haben und dass sich mit ihren Einwänden auseinandergesetzt wird.

2. Beruft sich kein Kassenverband auf die unterlassene vorherige Benehmensherstellung, so führt auch die grundlose nachträgliche Benehmensherstellung nicht zur Nichtigkeit von HVM-Änderungen des Honorarverteilungsmaßstabes.

3. Den Kassenärztlichen Vereinigungen steht hinsichtlich der in einer bedrohlichen Honorarsituation zu ergreifenden Maßnahmen im Rahmen der Honorarverteilung auf der Grundlage des § 85 Abs 4 SGB 5 ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung, bei dessen Anwendung sie lediglich gehalten sind, den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu beachten. Insoweit kann auch eine rückwirkende Änderung von Vorschriften des HVM möglich sein (vgl BSG vom 17.9.1997 - 6 RKa 36/97 = BSGE 81, 86 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.09.2003; Aktenzeichen B 6 KA 41/02 R)

 

Tatbestand

Streitig ist im Berufungsverfahren noch, ob die Beklagte am 4. April 1998 von ihrer Vertreterversammlung beschlossene (für die Kläger ungünstige) Änderungen ihres Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) in den beiden ersten Quartalen des Jahres 1998 bei den Klägern auf der Grundlage einer entsprechenden rückwirkenden Inkraftsetzung bereits anwenden durfte oder stattdessen die bisherige Fassung des HVM in diesen Quartalen noch anzuwenden war.

Die Kläger nehmen als Fachärzte für Pathologie mit Gemeinschaftspraxis in R an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Gegen den Honorarbescheid der Beklagten für das vierte Quartal 1997 vom 12. Mai 1998 erhoben die Kläger Widerspruch wegen Streichung der Ziffer 42 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) sowie gegen eine erfolgte Punktzahlabstaffelung.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 1998, per Einschreiben zur Post gegeben am 15. Dezember 1998, zurück; daraufhin haben die Kläger ihr Begehren mit am 14. Januar 1999 beim Sozialgericht (SG) Schwerin erhobener Klage weiter verfolgt.

Gegen den Honorarbescheid der Beklagten für das erste Quartal 1998 vom 27. Juli 1998 legten die Kläger ebenfalls Widerspruch ein. Neben den bereits im Vorquartal erhobenen Einwänden machten sie zusätzlich geltend, ein mit den Ersatzkassen vereinbarter Mindestpunktwert für Präventionsleistungen sei nicht berücksichtigt worden. Außerdem sei für die -- ausschließlich erbrachten -- histologischen und zytologischen Leistungen im Primärkassenbereich ein Punktwert von 4,557 Pfennigen angesetzt worden, obwohl der HVM vom 26. April 1997 hier einen Interventionspunktwert von 6 Pfennigen festgelegt habe. Diese HVM-Fassung sei für das erste und zweite Quartal des Jahres 1998 bindend, der jetzt geltende Maximalpunktwert sei erst am 4. April 1998 beschlossen worden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) sei eine derartige rückwirkende Aufhebung eines beschlossenen Stützungspunktwertes rechtlich nicht möglich. Zu erklären sei, ob es sich bei dem Punktwert von 6 Pfennig im Ersatzkassenbereich ebenfalls bereits um den Maximalwert nach neuem HVM handele.

Die Beklagte gab dem Widerspruch hinsichtlich der höheren Vergütung von Präventionsleistungen statt und wies ihn im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 1999 zurück. Zur Begründung hinsichtlich der Interventionspunktwerte führte sie aus, deren Abschaffung sei zulässig erfolgt und habe sich aufgrund der Entwicklung erforderlich gemacht.

Mit am 25. März 1999 beim SG Schwerin erhobener Klage haben die Kläger ihr Begehren auch insoweit weiter verfolgt.

Auch gegen den Honorarbescheid der Beklagten für das zweite Quartal 1998 vom 28. Oktober 1998 legten die Kläger Widerspruch ein und bezogen sich auf die gleichen Gesichtspunkte wie im Vorquartal. Die Beklagte gab dem Widerspruch wiederum hinsichtlich der höheren Vergütung von Präventionsleistungen statt und wies ihn im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 1999, per Einschreiben zur Post gegeben am 12. Oktober 1999, zurück. Zur Begründung wiederholte sie ihre Darlegungen im Widerspruchsbescheid des Vorquartales.

Auch insoweit haben die Kläger am 12. November 1999 beim SG Schwerin Klage erhoben.

Schließlich erhoben die Kläger auch gegen den Honorarbescheid der Beklagten für das dritte Quartal 1998 vom 29. Januar 1999 Widerspruch hinsichtlich der Streichung der Ziffer 42 des EBM. Die Beklagte wies den Wider...

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