Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder. verspätet erbrachter Nachweis geringeren Einkommens. rückwirkende Berücksichtigung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen für eine fiktive Beitragsbemessung freiwillig Krankenversicherter nach der Beitragsbemessungsgrenze und zur Vereinbarkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler mit § 240 SGB V sowie zur Notwendigkeit der rückwirkenden Berücksichtigung verspätet erbrachter Nachweise geringeren Einkommens.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stralsund vom 07. Juli 2017 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 15. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 wird insoweit aufgehoben, als darin Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung von mehr als

148,03 Euro monatlich für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2016,

151,50 Euro monatlich für den Zeitraum von Januar bis Juni 2017,

151,64 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2017,

155,11 Euro monatlich für den Zeitraum von Januar bis Juni 2018 und

155,25 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli bis September 2018

festgesetzt werden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden zu ¾ der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Beitragspflicht der Klägerin zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach.

Die 1951 geborene, verheiratete Klägerin war zuletzt bis zum 30. September 2016 bei der Beklagten über ihren Ehemann familienversichert. Auf ihren Rentenantrag vom 11. Februar 2016 bewilligte ihr die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See mit Bescheid vom 19. September 2016 eine Regelaltersrente ab dem 01. Juli 2016 mit einem monatlichen Rentenzahlbetrag in Höhe von zunächst 624,30 € brutto. Ausgehend von einer Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung sowie hiernach abzuführenden Beitragsanteilen wurde der Netto-Zahlbetrag mit 558,44 € angegeben.

Mit Bescheid vom 26. September 2016 stellte die Beklagte (als Krankenkasse) fest, dass die Voraussetzungen für eine Krankenversicherung der Rentner (KVdR) durch die Klägerin nicht erfüllt sind, da für die erforderliche 9/10-Belegung ca. 10 Mitgliedschafts-Jahre fehlten. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag empfahl sie der Klägerin eine freiwillige Versicherung und übersandte ein Beitrittserklärungs-Formular. Am 29. September 2016 informierte sich die Klägerin bei einer Mitarbeiterin der Beklagten telefonisch über die Höhe der von ihr im Rahmen einer freiwilligen Versicherung zu entrichtenden Beiträge, welche mit insgesamt ca. 170 € für die Kranken- und Pflegeversicherung angegeben wurden. Die Klägerin erklärte daraufhin, dass sie sich eine freiwillige Versicherung auch mit einem Zuschuss des Rentenversicherungsträgers in Höhe von ca. 52 €, wie er von der Beklagten-Mitarbeiterin in Aussicht gestellt wurde, nicht leisten könne, sodass sie die zugesandten Verträge nicht unterzeichnen werde. Seitens der Beklagten-Mitarbeiterin, ist daraufhin ausweislich eines Telefonvermerks der Klägerin noch erwidert worden, dass dann kein Versicherungsschutz mehr bestehe.

Mit Schreiben vom 27. Februar und 02. März 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine verpflichtende Anschlussversicherung durchzuführen sei, sofern nicht innerhalb eines Monats nach Ende der Familienversicherung ein anderweitiger Versicherungsschutz begründet werde. Gleichzeitig bat sie, den beigefügten Fragebogen “Angaben zum Einkommen für die Beitragsberechnung„ bis zum 16. März 2017 zurückzusenden. Anderenfalls seien Höchstbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu berechnen, die zurzeit 796,05 € betrügen. Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 09. März 2017, dass sie die Schreiben der Beklagten als gegenstandslos ansehe, da sie keine Beitrittserklärung zur freiwilligen Krankenversicherung und Pflegeversicherung abgegeben habe und auch nicht abgeben werde.

Mit Bescheid vom 15. März 2017 stellte die Beklagte (als Krankenkasse) fest, dass sich die Versicherung der Klägerin ab dem 01. Oktober 2016 als freiwillige Mitgliedschaft ohne Krankengeldanspruch fortsetze. Da die Klägerin keine Einkommensnachweise vorgelegt habe, seien die Beiträge nach der Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen, welche 4.237,50 € im Jahr 2016 und 4.350,00 € im Jahr 2017 betrage. Der aktuelle monatliche Beitrag zur Krankenversicherung betrage 648,15 €, zur Pflegeversicherung 110,93 €, insgesamt 759,08 €. Die Klägerin habe die Möglichkeit, binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens ihren Austritt zu erklären, dessen Wirksamkeit den Nachweis eines anderweitigen Versicherungsschutzes voraussetze. Der Bescheid erging soweit er “das Versicherungsverhältnis oder den Beitrag zur Pflegeversicherung behandelt, (…) im Namen der Pflegekasse„.

Mit Schreiben vom 20. März 2017 erinnerte die...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge