Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlanges Gerichtsverfahren. Entschädigungsklage. unangemessene Verfahrensdauer. gleichzeitig anhängiges PKH-Verfahren. Annex zum Hauptverfahren. kein eigenständiges Gerichtsverfahren iS des § 198 Abs 4 Nr 1 GVG

 

Orientierungssatz

Verzögerungen im Verfahren zur Bewilligung von PKH während der Dauer eines gleichzeitig rechtshängig gewordenen Hauptsacheverfahrens sind allenfalls nach § 198 Abs 1 S 2 GVG im Rahmen der Einzelfallumstände zu bewerten, wenn ein Gericht wegen eines PKH-Verfahrens die Hauptsache nicht so zügig bearbeitet, wie dies ggf erforderlich wäre (vgl BSG vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 3/16 R = SozR 4-1720 § 198 Nr 14).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 02.08.2018; Aktenzeichen B 10 ÜG 7/18 B)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht eine Entschädigung für eine überlange Verfahrensdauer eines Verfahrens zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) in Höhe von 250,00 € geltend.

In dem der Entschädigungsklage zu Grunde liegenden PKH-Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Neubrandenburg (Az: S 12 AS 2290/12 - PKH) stellte der Kläger am 19. Dezember 2012 (Eingang beim SG) einen Antrag auf Gewährung von PKH unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten für eine am selben Tag erhobene Klage vor dem SG Neubrandenburg. Diese Klage betraf einen vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Kostenerstattung für ein Widerspruchsverfahren (S 12 AS 2290/12). Bereits mit Antragseingang bzgl. der Gewährung von PKH kündigte der - auch damals durch seine hiesige Prozessbevollmächtigte vertretene - Kläger an, dass die noch fehlende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse umgehend nachgereicht werde. Eine entsprechende Erklärung nebst dazugehörigen Unterlagen wurde dann vom Kläger allerdings erst am 28. August 2014 beim SG Neubrandenburg eingereicht. Am 5. Januar 2015 erhob der Kläger vor dem SG Neubrandenburg eine Verzögerungsrüge hinsichtlich einer Verzögerung des PKH-Verfahrens. Mit Verfügung vom 20. Januar 2015 forderte das SG hinsichtlich des gestellten PKH-Antrages u. a. noch weitere Unterlagen , wie etwa aktuelle Kontoauszüge sowie eine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers, an. Diese wurden unter dem 29. Januar 2015 dem SG Neubrandenburg übersandt. Am 5. August 2015 erhob der Kläger erneut eine Verzögerungsrüge in diesem Verfahren. Schließlich lehnte das SG Neubrandenburg mit Beschluss vom 7. September 2015 den Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage ab und verwies u. a. zur Begründung auf den Gerichtsbescheid in dem Hauptsacheverfahren gleichen Datums. Der rechtskräftige PKH Beschluss wurde der Klägerin am 14. September 2015 zugestellt.

Bereits am 3. August 2015 beantragte der Kläger beim erkennenden Senat die Gewährung von PKH für eine beabsichtigte Entschädigungsklage für eine überlange Dauer des PKH-Bewilligungsverfahrens. In dem mit übersandten Klageentwurf wurde eine Entschädigung in Höhe von (mindestens) 2.000,00 € geltend gemacht.

Mit Beschluss des Senates vom 10. Oktober 2016 ist dem Kläger für eine beabsichtigte Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer des PKH-Verfahrens S 12 AS 2290/12 PKH (SG Neubrandenburg) PKH für einen Anspruch in Höhe von 250,00 € gewährt worden. Im Übrigen wurde die Gewährung von PKH mangels einer hinreichenden Erfolgsaussicht abgelehnt. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gründe des den Beteiligten bekannten Beschlusses vom 10. Oktober 2016 (L 12 SF 58/15 EK AS PKH) verwiesen wird, hat der Senat u. a. ausgeführt: Die beabsichtigte Entschädigungsklage biete nur hinsichtlich einer Entschädigungsforderung in Höhe von 250,00 € hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die beabsichtigte Klage sei zulässig, da die sog. 6-monatige „Sperrfrist" gemäß § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG eingehalten worden sei, nachdem am 5. Januar 2015 in dem zu Grunde liegenden Verfahren eine Verzögerungsrüge erhoben worden sei. Die 6-Monatsfrist gemäß § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG sei ausnahmsweise hier nicht einzuhalten gewesen, da das SG am 7. September 2015 durch Beschluss über den PKH-Antrag dann entschieden habe. Bei dem Verfahren handele es sich um ein eigenständiges Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG, das insoweit auch als Grundlage für einen verfolgten Zahlungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG in Betracht komme. Es ergebe sich eine Verzögerung des PKH-Verfahrens von 11 Monaten, d.h. insgesamt unter Berücksichtigung einer 6-monatigen Bearbeitungszeit sei von einer unangemessenen Dauer von fünf Monaten auszugehen.

Im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte Entschädigung in Höhe von 100,00 € monatlich sei im vorliegenden Rechtsstreit eine mögliche Verursachung des immateriellen Nachteils für den Kläger von untergeordneter Bedeutung. Der Senat...

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