Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Photodynamische Therapie. Kind. Begriff des Systemversagens. Anforderung. Anerkennung. neue Behandlungsmethode. extremer Seltenheitsfall
Orientierungssatz
1. Die Nichtaufnahme der Photodynamischen Therapie mit Verteporfin als Behandlungsmethode bei einer Neovaskularisationsmembran ursächlich beruhend auf einem Kolobom im juvenilen Alter im Sommer 2000 beruht auf einem sogenannten Systemversagen.
2. Das "Systemversagen" ist kein vom Verschulden abhängiger Vorwurf an die mit der Anerkennung neuer Methoden befassten Gremien, sondern mit § 13 Abs 3 SGB 5 als Anspruchsgrundlage ein verschuldensunabhängiges Korrektiv für Lücken im System der gesetzlichen Krankenversicherung, das heißt für Fälle, in denen eine Leistung angemessen, wirtschaftlich, geeignet und notwendig ist, gleichwohl aber im Leistungserbringerrecht nicht anerkannt worden ist.
3. Zu den Anforderungen für die Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode im extremen Seltenheitsfall.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten einer Photodynamischen Therapie (PDT) mit Verteporfin als Krankenbehandlung bei einer sekundären subfovealen Neovaskularisationsmembran zu erstatten hat.
Die ... 1994 geborene Klägerin ist bei der Beklagten familienversichert. Sie leidet an beiden Augen an einem angeborenen Iris-, Netzhaut- und Aderhautdefekt, einem sogenannten Kolobom, welches die Sehschärfe deutlich herabgesetzt hat und zu einer Schielstellung führte. Im Sommer 2000 kam es zu einer zunehmenden Sehverschlechterung des ursprünglich besseren rechten Auges, zuletzt bestand auf diesem Auge noch ein Visus von 0,04.
Die Augenärztin der Klägerin, Dipl.-Med. M, veranlasste daraufhin eine ambulante Untersuchung des Kindes in der Augenklinik N am 5. Juli 2000. Dort wurde eine Fluoreszenzangiographie durchgeführt, die ergab, dass sich rechtsseits am zentralen Rand des Koloboms eine subretinale Neovaskularisationsmembran, dh. eine Gefäßeinsprossung, gebildet hatte. Der Chefarzt Prof. Dr. H empfahl den Eltern des Kindes daraufhin die Durchführung einer PDT mit Visodyne, d.h. die Injektion dieses Mittels in die Blutbahn mit anschließender "kalter" Laserbehandlung. Er wies hierbei darauf hin, dass es sich derzeit noch nicht um eine allgemein anerkannte Kassenleistung handele.
Am 12. Juli 2000 wurde die Behandlung sodann durchgeführt.
Schon zuvor unmittelbar nach der Therapieempfehlung hatten sich die Eltern der Klägerin an die Beklagte gewandt und die Kostenübernahme für die PDT beantragt. Sie legten hierzu ein Schreiben von Prof. Dr. H vom 6. Juli 2000 vor, in dem die Diagnose geschildert und darauf hingewiesen wurde, dass eine normale Laserbehandlung bei der Lage der Neovaskularisationsmembran im Bereich der Fovea nicht möglich sei; es sei ohne Behandlung mit einer Erblindung des rechten Auges zu rechnen. Es werde daher darum gebeten, die Kostenübernahme für eine PDT mit Visodyne wohlwollend zu prüfen.
Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme hierauf mit Bescheid vom 07. Juli 2000 ab. Es handele sich bei der PDT um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) im Sinne des § 135 Sozialgesetzbuch -- Gesetzliche Krankenversicherung -- (SGB V), die zur Kostenübernahme eines zustimmenden Votums des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen bedürfe. Im übrigen liege eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Westfalen-Lippe vor, die zu dem Ergebnis komme, dass die Methode noch nicht hinreichend gesichert sei.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machten die Eltern der Klägerin geltend, dass es nach ihren Kenntnissen zur PDT bislang nur Studien über Personen jenseits des 50. Lebensjahres gebe. Hier handele es sich hingegen um ein fünfjähriges Kind. Es könne nicht richtig sein, dass ein kleines Kind erblinden müsse, nur weil bereits vorhandene Methoden nicht zur Anwendung gelangen dürften.
Die Beklagte veranlasste hierauf eine Begutachtung nach Aktenlage durch den MDK Mecklenburg-Vorpommern. Im Gutachten von Dr. E vom 23. August 2000 hieß es, die Diagnose einer Gefäßneubildung sei vorliegend durch eine Fluoreszenzangiographie hinreichend gesichert. Auch habe das Klinikum Neubrandenburg bereits darauf hingewiesen, dass eine Laserbehandlung bei der zentralen Lage der Einsprossung nicht in Betracht komme, mit einer Erblindung sei zu rechnen. Es liege allerdings bereits jetzt eine hochgradige Sehschwäche von 0,04 vor, eine Besserung sei auch durch die PDT nicht zu erwarten.
Es lägen Studien zur PDT vor, die sich aber auf Patienten mit altersbedingter Makuladegeneration (AMD) beziehen würden. Zur Anwendung der Therapie im Kindesalter gebe es keinerlei Untersuchungen, so dass eine Stellungnahme nicht möglich sei. Es handele sich bei derzeit noch hohem Preis des Medikamentes Verteporfin (Handelsname Visodyne) und üblicherweise notwendiger mehrfacher Anwendung um eine sehr teure Therapie, von der ...