Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Medizinisches Versorgungszentrum. Zulassungsentziehung. Ruhen der Zulassung als milderes Mittel. positive Prognoseentscheidung. Tatsachenvortrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für eine Anordnung des Ruhens der Zulassung gemäß § 95 Abs 5 S 1 SGB V als milderes Mittel im Verhältnis zur Zulassungsentziehung gemäß § 95 Abs 6 S 1 und 3 SGB V bedarf es einer positiven Prognoseentscheidung des Zulassungsausschusses bzw des Berufungsausschusses; die hierfür erforderliche Tatsachengrundlage zu schaffen, obliegt in erster Linie dem MVZ.

2. Von einer ausreichenden Tatsachengrundlage für eine positive Prognoseentscheidung kann nicht allein aufgrund vagen, nicht durch überprüfbare Details unterfütterten Vortrags des MVZ ausgegangen werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.07.2023; Aktenzeichen B 6 KA 5/22 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 10. Januar 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Zulassung der Klägerin zur vertragsärztlichen Versorgung.

Die Klägerin ist ab dem 1. April 2011 mit dem Praxisstandort R-Stadt, R-Straße, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen worden. Zugleich wurden ihr Anstellungsgenehmigungen für Herrn Dr. J. (Facharzt für Laborationsmedizin//Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie) und Herrn Professor Dr. Sch. (Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie) jeweils im Umfang von 40 Stunden/wöchentlich erteilt.

Die Klägerin wurde am 3. März 2010 ins Handelsregister des Amtsgerichts R-Stadt eingetragen. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer waren und sind Herr Dr. K., A-Stadt, und Herr W., A-Stadt, nunmehr E-Stadt. Bereits am 19. Juli 2010 schloss die Klägerin einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der I-Firma GmbH & Co KG mit Sitz in A-Stadt als herrschendem Unternehmen. Deren Komplementärin, die I-Firma Verwaltungsgesellschaft mbH, A-Stadt, befand sich in alleinigem Eigentum der Q-Firma - Analytische Verfahren - Verwaltungsgesellschaft mbH, A-Stadt, deren Gesellschaftsanteile von Herrn Dr. K., Herrn Dr. D. K., Frau F. K. und Herrn T. K., alle A-Stadt, gehalten wurden. Als beherrschtes Konzernunternehmen ist die Klägerin zur Abführung ihres ganzen Gewinns verpflichtet und unterliegt (außer in medizinischen Angelegenheiten) den Weisungen des beherrschenden Unternehmens.

Nach Angaben der Klägerin soll zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt eine orts- und KV-übergreifende Berufsausübungsgemeinschaft sowohl mit der A. GmbH MVZ A-Stadt als auch mit der der A. GmbH MVZ I-Stadt gebildet worden sein. Ab dem 1. Dezember 2012 wurde die vertragliche Wochenarbeitszeit der beiden angestellten Ärzte der Klägerin auf jeweils 12 Stunden beschränkt, was dem Zulassungsausschuss für Ärzte in (nachfolgend lediglich: Zulassungsausschuss) angezeigt und von diesem mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 festgestellt wurde. Hintergrund für die Arbeitszeitreduzierung war, dass beide Ärzte ab dem 1. Januar 2013 mit einem Umfang von jeweils 31 Stunden wöchentlich für die A. GmbH MVZ A-Stadt als angestellte Ärzte vertragsärztlich tätig wurden. Die Klägerin wurde mit dem feststellenden Beschluss des Zulassungsausschusses vom 10. Oktober 2012 darauf hingewiesen, dass fraglich sei, ob nach der Reduzierung der Arbeitszeit die Gründungsvoraussetzungen des MVZ noch erfüllt seien, da eine hinreichende ärztliche Leitung nicht mehr sichergestellt sei, womit eine Zulassungsentziehung drohe.

Unter dem 15 November 2013 bat der Zulassungsausschuss die Klägerin bzw. deren angestellte Ärzte um Stellungnahme zu der Frage, inwieweit angesichts einer als Vollzeittätigkeit zu wertenden vertragsärztlichen Tätigkeit in A-Stadt der Versorgungsauftrag in R-Stadt noch wahrgenommen werden könne. Diese Anfrage blieb trotz Erinnerung unbeantwortet.

Während die Klägerin im Zeitraum I. Quartal 2012 bis II. Quartal 2013 durchschnittlich 8.121 Fälle je Quartal abgerechnet hatte, wurden in den nachfolgenden Quartalen nur noch folgende Fallzahlen abgerechnet:

-

III. Quartal 2013

679 Fälle

-

IV. Quartal 2013

0 Fälle

-

I. Quartal 2014

15 Fälle

-

II. Quartal 2014

7 Fälle

-

III. Quartal 2014

6 Fälle

Bei den im III. Quartal 2013 abgerechneten Leistungen handelte es sich ausschließlich um von Dr. J. erbrachte labormedizinische Leistungen.

Nachdem der Vertragsarzt Dr. W. aus R-Stadt - ein niedergelassener Internist im Ärztehaus mit der seinerzeitigen Anschrift der Klägerin - auf telefonische Nachfrage am 21. Februar 2014 mitgeteilt hatte, dass die Laborräume der Klägerin seit einem halben Jahr leer gezogen seien, wandte sich der Zulassungsausschuss mit Schreiben vom 26. Februar 2014 erneut an die Klägerin. Im Hinblick auf die festgestellte vollständige Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit sei nunmehr über die Eröffnung eines Zulassungsentziehungsverfahrens zu e...

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