Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. Einpersonenhaushalt auf der Insel Sylt in Schleswig-Holstein. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft (hier für die Insel Sylt).

 

Normenkette

SGB XII § 27 Abs. 2 Fassung: 2011-03-24, § 35 Abs. 1 Fassung: 2011-03-24, § 2 S. 1 Fassung: 2011-03-24, S. 2 Fassung: 2011-03-24, § 42 Nr. 4 Fassung: 2011-03-24; WoGG § 12

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 10. November 2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis 30. April 2013 Leistungen unter Berücksichtigung seiner vollen tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren.

Der Beklagte trägt auch die notwendigen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Höhe der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis 30. April 2013; im Kern geht es um die „Deckelung“ der Kosten der Unterkunft (KdU) auf die Werte der damaligen Richtlinie des Kreises Nordfriesland.

Am 22. Dezember 2011 beantragte der 1977 geborene Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der unter Betreuung stehende Kläger bezog eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von damals 634,57 Euro netto. Der Kläger bewohnte eine 38 m² große 2-Zimmer-Wohnung in Westerland auf Sylt, für die eine Miete in Höhe von 425,00 Euro zzgl. kalter Betriebskosten in Höhe von 95,00 Euro zu entrichten war. Für die Versorgung mit Gas zahlte er monatlich 123,00 Euro an die Energieversorgung Sylt (EVS) GmbH.

Mit Erstbescheid vom 22. Dezember 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2012 monatliche Grundsicherungsleistungen in Höhe von 324,37 Euro. Dabei berücksichtigte er bei der Leistungsberechnung die vollen Unterkunftskosten des Klägers. Mit einem Schreiben vom gleichen Tag wies der Beklagte den Kläger darauf hin, im Rahmen der Sozialhilfe seien angemessenen Kosten der Unterkunft im Sinne des § 35 Abs. 1 und 2 SGB XII für eine Person in Höhe von 307,00 Euro Bruttokaltmiete zu berücksichtigen (Husum, Niebüll, Inseln Amrum, Föhr und Sylt). Im übrigen Kreisgebiet Nordfriesland gälten 282,00 Euro. Vor dem Hintergrund könnten die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zunächst nur bis zum 30. Juni 2012 anerkannt werden. Zudem lehnte der Beklagte mit einem Bescheid vom gleichen Tag eine Darlehensgewährung unter Zitierung der Rechtsgrundlage des § 36 Abs.1 Satz 1 und Satz 2 SGB XII ohne jede inhaltliche Begründung ab.

Auf den Folgeantrag wurden mit Bescheid vom 19. Juli 2012 für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis 31. Juli 2013 Leistungen in Höhe von monatlich 97,41 Euro bewilligt. Bei der Berechnung wurden nunmehr eine Grundmiete in Höhe von 307,- Euro und Heizkosten in Höhe von 64,94 Euro als angemessene Unterkunftskosten berücksichtigt. Mit einem weiteren Bescheid vom gleichen Tag wurde ein Antrag auf Übernahme von Stromschulden vom 5. Juli 2012 mit der Begründung abgelehnt, Stromschulden seien bereits in der Regelleistung berücksichtigt und es stehe auch derzeit keine Stromsperrung an. Auch einen Antrag des Klägers vom 11. Juli 2012 auf Übernahme einer Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung des Vermieters in Höhe von 128,54 Euro lehnte der Beklagte mit weiterem Bescheid vom 19. Juli 2012 unter Hinweis auf die Deckelung der Unterkunftskosten ab.

Mit Schreiben vom 25. Juli 2012 beantragte die Betreuerin für den Kläger die Übernahme der Miet- und Nebenkosten in voller Höhe. Sie verwies darauf, dass der Kläger durch eine Erkrankung in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei. Bisher habe er sich ohne Erfolg um eine günstigere Wohnung bemüht, leider sei es sehr schwierig angemessenen Wohnraum auf Sylt zu finden. Er habe bereits persönliche Dinge verkauft, um die finanziellen Löcher zu stopfen. Im weiteren Fortgang teilte die Betreuerin mit, dass dem Kläger inzwischen die fristlose Kündigung durch die Vermieterin angedroht worden sei. Hierbei reichte sie ein Schreiben der Vermieterin vom 25.09.2012 ein, betitelt als „letzte Mahnung vor fristloser Kündigung“, in welcher dem Kläger eine letzte Frist zum Ausgleich eines offenen Gesamtbetrages in Höhe von 1.836,27 Euro bis zum 15. Oktober 2012 gesetzt wurde.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2012 lehnte der Beklagte die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten ab dem 1. Juli 2012 mit der Begründung ab, die Unterkunftskosten überstiegen die Mietobergrenze. Die gesetzliche sechsmonatige Übergangsfrist sei abgelaufen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger vertreten durch seine Betreuerin am 26. Oktober 2012 Widerspruch ein. Im weiteren Fortgang wurde mitgeteilt, dass von Vermieterseite die fristlose Kündigung ausgesprochen worden sei. Zug...

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