Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in freier Praxis. Zulassungsentziehung nach Zulassung durch Vorspiegelung falscher Tatsachen. abweichende strafrechtliche Beurteilung durch das LSG. Rechtmäßigkeit der Zulassungsentziehung trotz Wohlverhaltens. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Zu den Voraussetzungen für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in freier Praxis.

2. Einem Arzt, der die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt und sich eine Zulassung als Vertragsarzt durch Vorspiegelung falscher Tatsachen verschafft hat, ist die Zulassung zu entziehen.

3. Bei der Prüfung, ob der Arzt in Bereicherungsabsicht gehandelt hat, wird das Landessozialgericht nicht durch eine Entscheidung des Landgerichts oder durch die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft an einer abweichenden strafrechtlichen Beurteilung gehindert.

4. Ein Verstoß gegen § 32 Abs 1 Ärzte-ZV ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil der Berufungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung es versäumt hat, positiv zu definieren, wann die vertragsärztliche Tätigkeit in freier Praxis ausgeübt wird.

5. Die Entziehung einer durch falsche Angaben erlangten vertragsärztlichen Zulassung ist auch unter Beachtung des Grundrechts des Arztes auf Berufsfreiheit gem Art 12 Abs 1 GG und im Hinblick auf ein schutzwürdiges Vertrauen nach einem Wohlverhalten in der vertragsärztlichen Tätigkeit während des Prozesses rechtmäßig (vgl BSG vom 19.7.2006 - B 6 KA 1/06 R = SozR 4-2500 § 95 Nr 12).

 

Tenor

Auf die Berufungen wird das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 31. Mai 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger die Zulassung als Vertragsarzt entzogen werden darf.

Der im Jahre 1944 geborene Kläger hatte im Dezember 1992 die Zulassung als Facharzt für Laboratoriumsmedizin in Gemeinschaftspraxis mit Frau Dr. med. A W beantragt. Der Kläger hatte hierzu einen von ihm mit Dr. Weichsel abgeschlossenen Gemeinschaftspraxis-Vertrag vom 17. November 1992 eingereicht. Mit diesem Vertrag wurde eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen den Beteiligten gegründet mit dem Zweck der gemeinschaftlichen Ausübung laborärztlicher und kassenärztlicher Tätigkeit in S. In § 2 des Vertrages wurde beschrieben, dass Praxisräume und Praxisgegenstände angemietet seien und beide Vertragspartner sich darüber einig seien, künftige Neuanschaffungen und Ersatzbeschaffungen von Einrichtungsgegenständen und Räumlichkeiten anzumieten. Ausgleichsansprüche im Falle des Ausscheidens eines Vertragspartners für den ideellen Wert (goodwill) wurden ausgeschlossen. Auch ist in dem Vertrag eine Zahlung des Klägers für den Eintritt in die bestehende Laborpraxis nicht vereinbart worden. In § 3 wurde geregelt:

"Laufende Verträge

Herr Dr. med. P tritt mit den gleichen Rechten und Pflichten in nachfolgend aufgeführte Verträge ein:

- Mietvertrag der Immobilie,

- Mietverträge der Praxiseinrichtung,

- Leistungs- und Teilbetriebsvertrag,

- Gründungsvertrag für die Einzelpraxis,

- Darlehensvertrag G GmbH,

- Kontokorrentvertrag Vereins- und Westbank.

Mit Aushändigung dieses Vertrages erhält Herr Dr. med. Peters Kopien der o. a. Verträge. Beide Vertragspartner verpflichten sich, die Vertragsparteien für o. a. Verträge bezüglich der Änderung Einzelpraxis in Gemeinschaftspraxis zu informieren und ggf. Änderungen der Verträge vorzunehmen."

(Fallakte II, KV, 12)

Im Mietvertrag für Gewerberaum vom 29.06.1992 war im Wesentlichen folgendes geregelt:

"Dr. med. D K, G, vermietet Frau Dr. med. A W ca. 305 m² Praxisräume zum Zwecke des Betriebs einer Laborarztpraxis ab 01. Juli 1992 zu einem Monatsmietpreis von 4.880,- DM zuzüglich Nebenkosten."

(Fallakte III 091).

Im Gründungsvertrag für die Einzelpraxis vom 30. Juni 1992 wurde zwischen Dr. D K und Frau Dr. W u. a. folgendes vereinbart:

"(1) Die Kassenabrechnung wird durch Frau Dr. W vorgenommen. Die Gemeinschaftspraxis wird sie dabei mit dann technischen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, nachhaltig unterstützen. Die Einnahmen der Praxis werden auf das Konto der Vereins- und Westbank S, Kto.-Nr.: ... (BLZ 20050000) eingezahlt und zwar einschließlich aller Honorare und der kassenärztlichen Vergütung. Davon werden zunächst die Ausgaben bestritten, soweit dies möglich ist. Eine dann noch entstehende Unterdeckung wird von der Gemeinschaftspraxis Dres. K.r ausgeglichen werden und zwar einschließlich der Vergütung, die Frau Dr. W zusteht. Überdeckungen werden mit etwaigen Unterdeckungen verrechnet.

(2) Frau Dr. W erhält ab 01.07.1992 als Tätigkeitsvergütung DM 130.000,00 anteilig p. a., ab 01.01.1993 DM 150.000,00 p. a.

Die Tätigkeitsvergütung wird in 12 gleichen Teilen ausgezahlt (6 gleiche Teile für 1992).

Die Tätigkeitsvergütung stellt Gewinn vorab dar.

Sofern der Gewinn diese Beträge übersteigt, steht der überschießende Betrag zu 90% der Gemeinschaftspraxis Dres. K und zu 10% Frau Dr. W zu....

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