Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Einkommenseinsatz. Nichtberücksichtigung von Unterhaltsansprüchen des Leistungsberechtigten gegenüber seinen Eltern bei Nichtüberschreitung einer Jahreseinkommensgrenze in Höhe von 100.000 Euro. Anwendbarkeit auf tatsächliche Unterhaltszahlungen
Orientierungssatz
§ 43 Abs 5 SGB 12 aF ist auch in den Fällen anwendbar, in denen der Leistungsberechtigte aufgrund eines Unterhaltstitels tatsächlich Unterhalt von einem Elternteil erhält, bei dessen Berechnung bereits fiktive Grundsicherungsleistungen berücksichtigt worden sind.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit stehen Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Die 1990 geborene Klägerin leidet an Mukoviszidose und ist nach Feststellung der Deutschen Rentenversicherung Nord zumindest seit dem 26. September 2004 voll erwerbsgemindert. Sie ist anerkannte Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Ein erster Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 8. April 2010 wurde mit Bescheid vom 15. Dezember 2010 vom Landkreis Nordvorpommern abgelehnt mit der Begründung fehlender Bedürftigkeit. Ein weiterer Antrag vom 9. Mai 2014 wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 24. November 2014 ebenfalls mit der Begründung fehlender Bedürftigkeit abgelehnt. Dabei berücksichtigte der Beklagte ein laufendes monatliches Einkommen in Gestalt von Kindergeld (184,00 Euro) und Unterhalt des Vaters (312,00 Euro) jedoch keine Wohnkosten, da die Klägerin kostenfrei bei ihrer Mutter wohne.
Am 13. Mai 2015 ging bei dem Beklagten ein erneuter Antrag auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII ein. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wies auf eine durch den Vater der Klägerin eingereichte Abänderungsklage beim Amtsgericht R.-D. hin. Nach obergerichtlicher Zivilrechtsprechung entfalle der Grund für die Zurechnung von Unterhaltsleistungen mit Einreichung der Abänderungsklage, die im April 2014 beim Amtsgericht eingegangen sei.
Mit Bescheid vom 20. Mai 2015 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von Grundsicherungsleistung ab. Das Einkommen in Höhe von 496,00 Euro übersteige den Grundsicherungsbedarf um 176,00 Euro. Tatsächlich erbrachte Unterhaltsleistungen seien als Einkommen zu berücksichtigen. Ausweislich des Berechnungsbogens setzte der Beklagte als Einkommen Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro und Unterhaltszahlungen in Höhe von 312,00 Euro an bei einem Regelsatz von 320,00 Euro und nicht entstehender Kosten der Unterkunft (KdU). Pflegegeld In Höhe von 458,00 Euro wurde nicht als Einkommen berücksichtigt.
Der am 19. Juni 2015 eingegangene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2016 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte hielt an seiner Rechtsauffassung fest, es bestehe keine Bedürftigkeit. Anzurechnen sei das von der Mutter weitergeleitete Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro sowie der tatsächlich geleistete Unterhalt, der ausweislich der Kontoauszüge 312,00 Euro monatlich aus einer Pfändung beim Arbeitgeber des Vaters S. betrage. Mithin werde der sozialhilferechtliche Bedarf von 320,00 Euro um 176,00 Euro überschritten.
Mit der am 3. März 2016 beim Sozialgericht (SG) Stralsund erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat ihre Rechtsauffassung wiederholt, dass ihr Grundsicherungsleistungen zustünden, Unter Hinweis auf Rechtsprechung des BGH wie verschiedener Oberlandesgerichte hat sie die Auffassung vertreten, mit der eingereichten Abänderungsklage sei der Grund für eine Zurechnung der Unterhaltszahlung entfallen, sodass künftige Unterhaltsleistungen bei Berechnung der Höhe der Grundsicherungsleistungen nicht mehr berücksichtigt werden können. Der Nachrang der Grundsicherung gelte nur für Unterhaltsansprüche, nicht aber für bereits geleistete Unterhaltszahlungen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 20. Mai 2015 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, einen Bescheid zu erlassen, mit dem ihr ab Antragstellung Grundsicherung für Erwerbsgeminderte nach dem SGB XII gewährt wird.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat an seiner Rechtsauffassung festgehalten, tatsächliche Unterhaltszahlungen seien als Einkommen anzurechnen. Dem hier gepfändeten Kindesunterhalt liege eine titulierte Forderung zugrunde, auf die zum Teil vom Schuldner gezahlt werde und zum Teil eine Zwangsvollstreckung durch Pfändung erfolge. Nach der Kommentierung seien Zahlungen lediglich dann von der Anrechnung auszunehmen, wenn Angehörige als Ausfallschuldner für den Grundsicherungsträger handeln wollen und Zahlungen le...