Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldanspruch. Insolvenzereignis. vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit. Einstellung der dem Betriebszweck dienenden Tätigkeiten
Orientierungssatz
Der Tag der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit ist derjenige Tag, an dem erstmals eine dem Betriebszweck dienende Tätigkeit nicht mehr ausgeübt wurde. Wann die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt ist, richtet sich nach den Gegebenheiten des jeweiligen Betriebs. Erforderlich ist die Einstellung aller dem Betriebszweck im engeren Sinne dienenden Tätigkeiten.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Klageverfahrens zur Hälfte zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Insolvenzgeld (Insg) für den Zeitraum 1. Juni 2009 bis 28. August 2009 streitig.
Die 1948 geb. Klägerin arbeitete ab 25. Dezember 1999 als Telefonoperator in einem Call-Center (T. GmbH). Der Betrieb wurde im Jahr 2001 von der A. AG erworben und fortgeführt. Gegenstand des Betriebes war die Auskunft von Rufnummern.
Für den Zeitraum ab 1. März - 30. Juni 2009 gewährte die Beklagte der A. AG für 30 Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld (Kug), für die Klägerin für Juni 2009 in Höhe von 76,35 € für 22,50 Kug-Ausfallstunden. Ab 1. August 2009 wurde die Gewährung von Kug aufgehoben. Am 17. August 2009 haben sich ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten alle Mitarbeiter der Firma A. AG arbeitslos gemeldet, da kein Lohn gezahlt wurde.
Durch Einwurfeinschreiben vom 26. August 2009, das die Klägerin nach eigenen Angaben am 28. August 2009 erhalten hat, wurde ihr fristlos gekündigt. Hiergegen hat die Klägerin zunächst Kündigungsschutzklage erhoben, die mit Schreiben vom 20. Oktober 2009 zurückgenommen wurde. Zudem hat die Klägerin wegen ausstehender Lohnforderungen für Juni, Juli und August 2009 Klage vor dem Arbeitsgericht Schwerin erhoben und unter dem 15. Dezember 2009 ein Versäumnisurteil gegen die Arbeitgeberin erwirkt.
Am 20. Oktober 2009 beantragte die Klägerin Insg für die Monate Juni - August 2009 und verwies insoweit auf die anhängige Klage beim Arbeitsgericht Schwerin. Sie legte ein Schreiben der Arbeitgeberin vom 3. August 2009 vor, worin bestätigt wurde, dass das fällige Gehalt der Klägerin für Juni und Juli 2009 aus wirtschaftlichen Gründen bislang nicht habe ausgezahlt werden können. Die Zahlung erfolge, sobald der Liquiditätsengpass im Unternehmen überwunden sei, womit man in den nächsten Wochen rechne.
Durch Bescheid vom 18. November 2009 lehnte die Beklagte den Insg-Antrag ab mit der Begründung, ein Insolvenzereignis liege nicht vor. Weder sei ein Insolvenzantrag beim Amtsgericht gestellt worden noch die Zahlungsunfähigkeit der Firma festzustellen.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Firma die Gehälter aller Mitarbeiter in den letzten 3 Monaten vor Betriebsstilllegung nicht zur Auszahlung gebracht und dies mit ihrer Zahlungsunfähigkeit begründet habe. Die fristlose Kündigung aller Mitarbeiter und die in diesem Zusammenhang abgegebene Erklärung, man könne mangels finanzieller Mittel den Geschäftsbetrieb nicht aufrechterhalten, sei hinreichendes Indiz dafür, dass die Firma den Geschäftsbetrieb mangels Masse eingestellt, das Gewerbe abgemeldet habe und darüber hinaus die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse nicht in Betracht komme. Es bestünden hinreichende Verdachtsmomente, dass vorliegend der Vorstand entweder in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit die Insolvenz verschleppt oder ausstehende Gehälter trotz entgegengenommener Arbeitsleistung nicht gezahlt habe, um sich zu Lasten entweder der Bundesagentur für Arbeit oder der Arbeitnehmer zu bereichern. Offensichtlich habe der Liquiditätsengpass zur Betriebseinstellung geführt. Über weitere Betriebe verfüge der Arbeitgeber nicht.
Am 22. März 2011 hat die Klägerin zunächst Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Schwerin (SG) erhoben.
Nach Ermittlungen der Beklagten u. a. zu Beitragsrückständen der Arbeitgeberin bei Krankenkassen und Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, ein - allein in Betracht kommendes - Insolvenzereignis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III liege nicht vor. Es hätten sich keine ausreichenden Tatsachen feststellen lassen, die hinreichend für den Anschein der Masselosigkeit im Sinne der Vorschriften sprechen würden, wie zB Beitragsrückstände in nennenswertem Umfang, Steuerrückstände, Verbindlichkeiten des Arbeitgebers gegenüber anderen Gläubigern, offene Arbeitsentgeltansprüche mehrerer Arbeitnehmer oder das Vorliegen von Unpfändbarkeitsprotokollen. Zudem stehe im Raume, dass sich der A...