Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Erinnerungsrechts der Landeskasse
Orientierungssatz
Das Erinnerungsrecht der Landeskasse gegen die Festsetzung der Vergütung des im Wege der Prozeßkostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts ist jedenfalls dann als verwirkt anzusehen, wenn die Erinnerung erst nach Ablauf des Jahres eingelegt wird, das der letzten im Festsetzungsverfahren ergangenen Entscheidung folgt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Erinnerungsführer aus der Landeskasse zu gewährenden Vergütung.
Durch Beschlüsse vom 17. November 1995, 19. Februar und 26. September 1996 bewilligte der Senat für die Durchführung des Rechtsstreits in zweiter Instanz Prozeßkostenhilfe (PKH) unter Anordnung von Ratenzahlung und ordnete den Erinnerungsführer dem Kläger jenes Verfahrens gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 121 Zivilprozeßordnung (ZPO) bei. Das Verfahren wurde durch gerichtlichen Vergleich am 18. Oktober 1996 beendet.
Der Erinnerungsführer hatte zuvor unter dem 19. September 1996 einen Vorschuß in Höhe von 989,-- DM beantragt, den die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen (LSG Nds) am 8. Oktober 1998 auch in dieser Höhe festsetzte. Auf den Antrag des Erinnerungsführers vom 25. Oktober 1996 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des LSG Nds am 18. November 1996 die dem Erinnerungsführer noch zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 920,12 DM fest.
Unter dem 21. August 1998 bat der Bezirksrevisor bei dem LSG Nds die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des LSG Nds zu prüfen, ob die Vergütung des Erinnerungsführers zutreffend festgesetzt sei, da nach dem "alten" -- vor dem 01.07.1994 geltenden Recht -- hätte abgerechnet werden müssen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des LSG Nds setzte daraufhin unter dem 27. August 1998 die Vergütung des Erinnerungsführers ohne dessen vorherige Anhörung neu auf insgesamt 1.269,03 DM fest und verlangte die Erstattung von 640,09 DM, da der Erinnerungsführer bereits einen Gesamtbetrag von 1.909,12 DM erhalten habe.
Gegen die Neufestsetzung wendet sich der Erinnerungsführer unter dem 17. Oktober 1998.
Entscheidungsgründe
Der Senat wertet das Schreiben des Erinnerungsführers vom 17. Oktober 1998 als Erinnerung gemäß § 128 Abs 3 BRAGO. Diese ist statthaft und im übrigen zulässig; eine Frist für die Einlegung der Erinnerung ist im Gesetz nicht vorgesehen.
Die Erinnerung ist auch begründet. An der Rechtmäßigkeit der Vergütungsfestsetzung vom 27. August 1998, mit dem die Festsetzung vom 18. November 1996 zu Lasten des Erinnerungsführers geändert worden ist, bestehen bereits in formellrechtlicher Hinsicht erhebliche Bedenken. Bei der Entscheidung über die Festsetzung der Vergütung vom 18. November 1996 handelt es sich um einen (Justiz)Verwaltungsakt. Die Neufestsetzung vom 27. August 1998 hat die Vergütungsfestsetzung vom 18. November 1996 herabbemessen und demnach in die Rechte des Erinnerungsführers eingegriffen. In derartigen Fällen sieht die Regelung des § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes, die hier allerdings im Hinblick auf § 2 Abs 3 Nr 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz nicht unmittelbar anwendbar ist, die Notwendigkeit einer vorherigen Anhörung vor. Die Notwendigkeit vorheriger Anhörung vor Erlaß eines Eingriffsakts entspricht allgemein rechtsstaatlichen Grundsätzen und ist daher auch in einem derartigen Festsetzungsverfahren, in dem eine vorgenommene Festsetzung nachträglich zu Lasten des Antragstellers geändert wird, zu beachten.
Rechtlich zweifelhaft ist auch, ob der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des LSG für die Festsetzung vom 27. August 1998 zuständig war. Zwar sieht § 128 Abs 1 Satz 1 1. Halbsatz BRAGO vor, daß die aus der Landeskasse zu gewährende Vergütung von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des Rechtszuges festgesetzt wird. Ist das Verfahren indes durch rechtskräftige Entscheidung oder in sonstiger Weise beendet, setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vergütung fest (§ 128 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz BRAGO). Mit dieser Zuständigkeitsregelung wird bezweckt, daß eine Festsetzung der Vergütung dort stattfindet, wo sich auch die Akten befinden (Hartmann, Kostengesetze, 27. Auflage, 1997, § 128 Rdnrn 15 bis 19). Hier war das gerichtliche Verfahren durch gerichtlichen Vergleich vom 18. Oktober 1996 beendet worden. Die hier angegriffene Vergütungsfestsetzung erfolgte am 27. August 1998, das heißt also nach Beendigung des gerichtlichen Verfahrens. Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man die -- erste -- Vergütungsfestsetzung vom 18. November 1996 als maßgebende Festsetzung zugrunde legt. Diese erfolgte ebenfalls nach Beendigung des gerichtlichen Verfahrens.
Dies kann indes dahinstehen, denn die Neufestsetzung vom 27. August 1998 ist aus materiell-rechtlichen Gründen rechtswidrig, weil der Bezirksrevisor sein Erinnerungsrecht verwirkt hat. Zwar ist die Vergütungsfestsetzung einer Rechtskraft nicht fähig (Kalthöner/Büttn...