Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Kostenübernahme. Pflegehilfsmittel <hier: Aufsteh- und Liegesessel>
Orientierungssatz
Für die Kostenübernahme eines Pflegehilfsmittels (hier: Aufsteh- und Liegesessel) durch eine Pflegekasse reicht es aus, wenn eine der genannten Voraussetzungen in § 40 Abs 1 S 1 SGB 11 vorliegt.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Kostenübernahme für einen Pflegesessel.
Die 1953 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten seit April 1995 Pflegegeld nach Maßgabe der Pflegestufe III. In einem Gutachten des MDKN (Dr M) vom 25. März 1996 hieß es zur pflegebegründenden Vorgeschichte bei der Klägerin, dass diese 1960 an einer Poliomyelitis erkrankte. Seitdem leide sie an deren Folgeerscheinungen. Seit 1990 sei ein sogenanntes Postpoliomyelitis-Syndrom zu verzeichnen sowie zusätzlich Migräneanfälle, die ca einmal die Woche aufträten. Zum Allgemeinbefund hieß es in dem Gutachten, der Zustand der Klägerin sei deutlich reduziert und es liege eine stark herabgesetzte Belastbarkeit mit klar erkennbaren Auswirkungen auf den erforderlichen Hilfebedarf vor. Auch sei ein fortschreitenden Kräfteverfall zu verzeichnen. Es liege eine deutlich eingeschränkte Funktionsfähigkeit des gesamten Stütz- und Bewegungsapparates nach Poliomyelitis vor. Zu den Aktivitäten des täglichen Lebens führte der Gutachter aus, dass die Klägerin Gehen und Stehen innerhalb der Wohnung nur mit Hilfsperson ausführen könne und es ihr auf der Straße überhaupt nicht möglich sei. Sich-Sauber-Halten und Kleiden-Können könne die Klägerin nur unselbständig, weil sie ein ständige Hilfsperson zum An- und Auskleiden und zum Sauberhalten benötige. Auch Essen und Trinken können die Klägerin nur teilweise unselbständig, weil überwiegende Hilfe wegen der erheblichen Bewegungseinschränkungen auch im Bereich der oberen Extremitäten notwendig sei. Auch beim Trinken benötige die Klägerin wegen der Schwäche der oberen Extremitäten Hilfe. In den Anmerkungen zum Hilfebedarf hieß es, dass die Klägerin einer nächtlichen Hilfe bedürfe in Form von Hilfe beim Toilettengang einmal die Nacht und beim Verlagern der Extremitäten und Umlagern bei Rückenschmerzen. Ferner hieß es in dem Gutachten, dass technische Hilfen und bauliche Maßnahmen zur Anpassung des Wohnumfeldes erforderlich seien, zB durch den Einbau eines Badewannenlifters, um den Ehemann der Klägerin auf Dauer zu entlasten.
Im März 1997 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf die Gewährung eines elektrisch verstellbaren Sessels mit Aufstehhilfe als Pflegehilfsmittel. Zur Begründung legte sie dar, dass dieses Hilfsmittel notwendig sei, um Verlagerungen selbständig wahrnehmen zu können. Dr P erläuterte in seiner für den MDKN gefertigten Stellungnahme vom 15. Mai 1997 demgegenüber, der von der Klägerin beantragte Sessel stände nicht auf der Pflegehilfsmittelliste und gehöre zur Produktgruppe 22, die sogenannten Mobilitätshilfen. Es handele sich dabei um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, der von der Pflegekasse nicht finanziert werden müsse. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 23. Mai 1997 die Kostenübernahme ab. Mit ihrem rechtzeitig eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Sessel erleichtere ihrem Ehemann ihre Pflege erheblich. Die von der Beklagten genannten alternativen Aufstehhilfen durch Katapultsitz bzw Gehgestell kämen bei ihr nicht in Frage, weil dafür eine gewisse Armkraft erforderlich sei, die bei ihr nicht gegeben sei. Demgegenüber führte Dr W in seiner Stellungnahme vom 11. Juli 1997 aus, dass eine mechanische Unterstützung beim Hinsetzen und Aufstehen der Klägerin ausreichend sei und wies wiederum darauf hin, dass der von der Klägerin begehrte Sessel nicht auf der Hilfsmittelliste stände. Dr P fügte in seiner Stellungnahme vom 18. September 1997 hinzu, bei dem Sessel handele es sich um einen Gebrauchsgegenstand und es sei ausreichend, wenn die Klägerin mit einem Pflegebett versorgt sei. Mit Bescheid vom 20. November 1997 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück.
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass der von ihr begehrte Sessel wegen seiner vielfältig verstellbaren Sitz- und Liegepositionen für ihr Krankheitsbild optimal sei. Sie habe im übrigen von der Beklagten ein Pflegebett nicht bekommen, sondern nächtige in einem ganz normalen Ehebett, das mit einem elektrisch verstellbaren Bettrahmen ausgestattet sei, den sie sich auf eigene Kosten vor Inkrafttreten der Pflegeversicherung beschafft habe. Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten der Pflegefachkraft N vom 16. März 1999 eingeholt. In dem Gutachten hat der Sachverständige erläutert, dass die Klägerin über kurz oder lang Komplikationen im Sinne eines Wundliegens oder einer Lungenentzündung bekommen werde, wenn sie keine Hilfe zur relativ häufigen Veränderung ihrer Liegeposition erhalte. Die nationale und internationale Forschung gehe davon aus, dass ein Dekubitus entstehe, ...