Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung. Untätigkeitsklage
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kosten einer Untätigkeitsklage hat in der Regel die Beklagte zu tragen, wenn der Kläger mit einer Entscheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Das gilt jedoch nicht, wenn der Kläger bereits bei Klageerhebung erkennen konnte, dass ein zureichender Grund für die Untätigkeit der Verwaltung bestanden hat.
2. Ein solcher Grund ist anzunehmen, wenn die Verwaltung dem Kläger vorher die sachlichen Gründe mitgeteilt hat, die eine Entscheidung verzögern, oder dem Kläger diese Gründe anderweitig bekannt sind.
3. Kein sachlicher Grund läge vor, wenn die Verwaltung objektiv überflüssige Ermittlungen anstellt, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 88 SGG zu vereiteln.
Normenkette
SGG §§ 193, 88
Verfahrensgang
SG Stade (Beschluss vom 10.04.2001; Aktenzeichen S 6 AL 182/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 10. April 2001 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten, die ihm im Zusammenhang mit einer Untätigkeitsklage entstanden sind.
Der Kläger bezieht von der Beklagten Arbeitslosenhilfe (Alhi). Mit Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 1999 bewilligte ihm die Beklagte Alhi weiter ab dem 1. Januar 1999 unter Berücksichtigung eines abzusetzenden wöchentlichen Anrechnungsbetrages von 113,54 DM. Gegen diesen Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 4. März 1999 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 23. März 1999 – Eingang 24. März – damit begründete, dass nicht nachvollzogen werden könne, wie sich die Anrechnung von Einkünften auf die Alhi errechnen solle. Mit weiterem Schreiben vom 19. April 1999 erinnerte der Prozessbevollmächtigte an die Erledigung des Verfahrens.
Mit Schreiben vom 5. Mai 1999 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass weitere Aufwendungen im Rahmen der Einkommensberechnung geltend gemacht werden könnten und bat um Einreichung der entsprechenden Nachweise. Mit Schreiben vom 1. Juli 1999 erinnerte die Beklagte an die Erledigung der Anfrage und setzte eine Frist bis zum 23. August 1999.
Mit Schreiben vom 27. Juli 1999 – Eingang 29. Juli – erhob der Kläger Untätigkeitsklage beim Sozialgericht (SG) Stade, ohne vorher die Anfragen der Beklagten beantwortet zu haben. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2001 wurde dem Widerspruch teilweise stattgegeben. Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt und beantragte, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Beklagte lehnte eine Kostentragung ab. Nach ihrer Auffassung habe kein Anlass für eine Untätigkeitsklage bestanden.
Das SG Stade hat durch Beschluss vom 10. April 2001 festgestellt, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben. Die Beklagte habe über den Widerspruch des Klägers mit zureichendem Grund nicht innerhalb eines Monats entschieden, da noch Ermittlungen durchzuführen gewesen seien.
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 4. Mai 2001 Beschwerde eingelegt. Seines Erachtens sei die Klage bereits am 3. April 1999 zulässig gewesen, da zu diesem Zeitpunkt bereits die Monatsfrist des § 88 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgelaufen gewesen sei. Im Übrigen seien die angeforderten Unterlagen für die Entscheidung über den Widerspruch ohne Bedeutung gewesen. Die Beklagte habe nämlich seinem Widerspruch teilweise abgeholfen, ohne dass er irgendwelche Unterlagen bei der Beklagten eingereicht habe.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG). Sie ist unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zutreffend beschlossen, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben.
Nach § 193 SGG haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auf Antrag eines Beteiligten durch Beschluss darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Die Kostenentscheidung ist grundsätzlich unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen, wobei der voraussichtliche Prozesserfolg die Kostenverteilung beeinflusst (Bundessozialgericht – BSG – SozR 1500 § 193 Nr 3).
Gemäß § 88 Abs 1 und 2 SGG ist in Angelegenheiten der Bundesanstalt für Arbeit über einen Widerspruch innerhalb eines Monats zu entscheiden, es sei denn, es liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der Widerspruchsbescheid noch nicht erlassen wurde. Welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um einen wichtigen Grund anzunehmen, ist umstritten. So hat der 7. Senat des LSG Niedersachsen im Jahre 1991 entschieden, dass eine Untätigkeitsklage wegen der starken arbeitsmäßigen Belastung der Arbeitsämter nur dann als begründet anzusehen sei, wenn im Einzelfall eine unsachgemäße Verzögerung aus besonderen Gründen feststehe bzw wenn vor Klageerhebung eine Sachstan...