Rechtskraft: ja

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

örtliche Zuständigkeit – Bestimmung des zuständigen Gerichts – Verweisungsbeschluss – Bindungswirkung –

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Verweisungsbeschluss, mit dem ein Sozialgericht einen Rechtsstreit bewusst und gewollt an ein anderes als das nach der Rechtsprechung des Berufungsgerichts zuständige Sozialgericht verweist, ist nach § 98 SGG iVm § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend.

 

Normenkette

SGG § 51 Abs. 2 Nr. 3, §§ 57a, 98; GVG § 17a Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

SG Lüneburg (Entscheidung vom 30.04.2001; Aktenzeichen S 6 KR 61/01)

SG Braunschweig (Aktenzeichen S 6 KR 61/01)

 

Tenor

Es wird bestimmt, dass das Sozialgericht Braunschweig das zuständige Gericht ist.

 

Gründe

I.

Der Beschluss betrifft die Bestimmung des zuständigen Sozialgerichts (SG) nach § 58 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klägerin, Trägerin des Städtischen Klinikums D., begehrt die Kosten der Krankenhausbehandlung für die stationäre Behandlung des Versicherten der Beklagten E. für die Zeit vom 7. Januar 1998 bis 5. Februar 1998 in Höhe von 44.776,65 DM nebst 3 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 19. Mai 1999.

Die Klägerin hat am 19. Februar 2001 Klage vor dem SG Lüneburg erhoben. Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2001 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Sache an das zuständige SG Hannover abzugeben.

Mit Beschluss vom 30. März 2001 hat sich das SG Lüneburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Braunschweig verwiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass sich die Zuständigkeit aus § 57 Abs. 1 SGG ergebe. Die Vorschriften des § 51 Abs. 2 Ziff 1 iVm § 57a letzte Alternative SGG fänden für diese Rechtsstreitigkeiten, bei denen es um die Notwendigkeit der Behandlung eines krankenversicherten Patienten im Krankenhaus gehe, keine Anwendung. Eine Verweisung an das SG Hannover scheide daher aus. Die Regelungen der §§ 107ff Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) beträfen nicht Einzelbeziehungen zwischen einem Krankenhaus und einer Krankenkasse wegen eines Versicherten, sondern übergreifende Verträge.

Das SG Braunschweig hat sich für unzuständig erklärt und das Verfahren dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt (Aktenvermerk vom 25. April 2001).

II.

Örtlich zuständig ist das SG Braunschweig. Der Verweisungsbeschluss des SG Lüneburg ist für das SG Braunschweig bindend.

Die Anrufung des LSG Niedersachsen zur Bestimmung des für den Rechtsstreit örtlich zuständigen SG ist nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG zulässig. Denn nach dieser Bestimmung wird das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

Nach § 98 SGG iVm § 17a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sind rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht bindend, an das der Rechtsstreit verwiesen wird. Diese Bindungswirkung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG zu beachten. Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich bindend. Eine Bindungswirkung entfällt lediglich dann, wenn die Verweisung offensichtlich gesetzeswidrig ist. Das ist zB dann der Fall, wenn sich das verweisende Gericht offensichtlich über den Ort des zuständigen SG geirrt hat (LSG Niedersachsen, Beschluss vom 14. August 1998 – LSG Niedersachsen L 4 SF 6/98 – mwN). Das ist hier nicht der Fall.

Nach dem Beschluss des LSG Niedersachsen vom 18. September 2000 (L 4 B 205/00 KR) ist das SG Hannover nach § 57a letzte Alternative SGG für Angelegenheiten zuständig, die den Anspruch eines Krankenhauses gegen eine gesetzliche Krankenkasse auf Vergütung aus dem Vertrag vom 1. November 1992 zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Niedersächsischen Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen nach § 112 SGB V betreffen. Die 6. Kammer des SG Lüneburg hält diese Rechtsprechung in Einzelfällen nicht für überzeugend und hat den vorliegenden Rechtsstreit daher bewusst und gewollt an das SG Braunschweig verwiesen. Das SG Lüneburg stützt seine Auffassung auf eine vom LSG Niedersachsen abweichende Auslegung des § 51 Abs. 2 Ziff 1 iVm § 57a letzte Alternative SGG. Der Beschluss ist daher weder willkürlich noch fehlt ihm die gesetzliche Grundlage. Er entfaltet somit die Bindungswirkung nach § 98 SGG iVm § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG. Das SG Braunschweig ist daher an den Beschluss des SG Lüneburg vom 30. März 2001 gebunden. Zuständig ist das SG Braunschweig.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Schimmelpfeng-Schütte, Poppinga, Schreck

 

Fundstellen

Haufe-Index 664909

NZS 2002, 224

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