Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg bei rechtshängigem Hauptsacheverfahren. Sozialhilfe. Zuständigkeit. Sozialgerichtsbarkeit. Verwaltungsgerichtsbarkeit. Vorläufiger Rechtsschutz. Gericht der Hauptsache. Öffentlich-rechtlicher Vertrag
Leitsatz (amtlich)
Die Rechtshängigkeit der Hauptsache begründet die sachliche und örtliche Zuständigkeit des im Klageverfahren angerufenen Gerichts auch für das vorläufige Rechtsschutzverfahren. Die ab 1. Januar 2005 erfolgte Rechtswegeänderung in Angelegenheiten der Sozialhilfe wirkt sich bei einem bereits (hier beim Verwaltungsgericht) anhängigen Hauptsacheverfahren nicht aus. Auch für nach dem 31. Dezember 2004 rechtshängig gemachte vorläufige Rechtsschutzverfahren ist dann das Verwaltungsgericht zuständig.
Normenkette
SGG § 51 Abs. 1 Nr. 6a, § 86b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; VwGO § 123 Abs. 2 S. 1; BSHG § 93 Abs. 2; SGB XII § 75; SGB X § 53
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 31. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 31. Mai 2005, durch den der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Hannover verwiesen worden ist.
Die Sache an sich betrifft den Abschluss einer ergänzenden Vereinbarung zu einer nach § 93 Abs. 2 BSHG abgeschlossenen Vereinbarung über die ambulante Pflege zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin vom 28. November 2003. Die Antragstellerin möchte erreichen, dass die Antragsgegnerin mit ihr eine Leistungsvereinbarung und Prüfungsvereinbarung für die Übernahme der betriebsnotwendigen nicht gedeckten Investitionsaufwendungen der Einrichtung ambulante Pflege abschließt und hat ein entsprechendes Vertragsangebot unterbreitet, welches die Antragsgegnerin nicht bereit ist anzunehmen. Die Antragstellerin hat deshalb am 17. Dezember 2004 Klage beim Verwaltungsgericht Hannover erhoben (Az.: 3 A 7168/04).
Die Antragstellerin hat am 4. Mai 2005 beim Sozialgericht Hannover wegen dieser Angelegenheit um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Der Abschluss der Leistungsvereinbarung und der Prüfungsvereinbarung sei dringlich. Da zum 1. Januar 2005 die Vorschriften des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) in Kraft getreten und zeitgleich das BSHG aufgehoben worden sei, sei nunmehr die Zuständigkeit der Sozialgerichte gegeben. Daran könne § 86 b Abse. 1 und 2 SGG nichts ändern. Die Vorschriften über die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Vereinbarungen seien nun in den §§ 75 ff. SBG XII geregelt. Im Übrigen ergebe sich aus Entscheidungen des OVG Lüneburg, dass ab dem 1. Januar 2005 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nicht mehr gegeben sei.
Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 31. Mai 2005 an das Verwaltungsgericht Hannover verwiesen und zur Begründung ausgeführt, dass sowohl nach § 86 b Abs. 1 SGG als auch nach § 123 Abs. 2 VwGO für den Erlass einer einstweiligen Anordnung das Gericht der Hauptsache zuständig sei. Die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 18. Januar 2005 (- 4 ME 541/04 - FEVS 56, 430) stehe dem nicht entgegen, weil der dortige Beschluss einen anderen Sachverhalt betreffe.
Die dagegen eingelegte Beschwerde bleibt erfolglos.
Die Beschwerde ist gem. § 17 a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i. V. m. den §§ 172, 173 SGG zulässig.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Für das von der Antragsgegnerin eingeleitete vorläufige Rechtsschutzverfahren ist das Verwaltungsgericht Hannover örtlich und sachlich zuständig.
Zuständig für das hier streitige vorläufige Rechtsschutzverfahren ist gem. § 86 b Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGG “das Gericht der Hauptsache„. Eine dementsprechende Regelung enthält § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach ist für den Erlass einstweiliger Anordnungen das Gericht der Hauptsache zuständig. In der vorliegenden Streitsache ist das Gericht der Hauptsache das Verwaltungsgericht Hannover.
Die Antragstellerin hat die Klage bereits am 17. Dezember 2004 beim Verwaltungsgericht Hannover erhoben. Dieses Gericht ist das Gericht der Hauptsache. Es ist mithin für das später rechtshängig gewordene vorläufige Rechtsschutzverfahren zuständig, und zwar selbst dann, wenn die Hauptsacheklage bei einem unzuständigen Gericht erhoben worden sein sollte. Dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des § 86 b Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGG, wonach abgestellt wird auf das “Gericht der Hauptsache„, nicht “das für die Hauptsache zuständige Gericht„.
Zwar bestehen keine Zweifel, dass die Klage vom 17. Dezember 2004 beim zuständigen Verwaltungsgericht erhoben worden ist. Denn zu jenem Zeitpunkt galten noch die Vorschriften des BSHG, sodass der begehrte Abschluss der Vereinbarung sich nach damaligem Recht, also nach § 93 Abs. 2 BSHG richtet. Für Streitigkeiten nach dem BSHG waren unzweifelhaft die Verwaltungsgerichte zuständig.
Diese Betrachtungsweise - Zuständigkeit des Gerichtes der Hauptsache - folgt weite...