Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitssuche. Unionsbürgerschaft. Diskriminierungsverbot. Europarechtskonformität. einstweiliger Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
Der Leistungsausschluss von EU-Bürgern nach § 7 Abs 1 S 2 SGB 2 ist nicht europarechtswidrig.
Orientierungssatz
Das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ungeeignet, eine Klärung europarechtlicher Fragen durch Aussetzung und Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes herbeizuführen.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Beschwerdeführers, weiterhin existenzsichernde Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Anspruch zu nehmen.
Der Beschwerdeführer ist britischer Staatsbürger. Im November 2006 reiste er mit der deutschen Staatsangehörigen C., die in Großbritannien einer Beschäftigung nachgegangen war, in die Bundesrepublik Deutschland ein. Beide bezogen eine gemeinsame Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Beschwerdegegners. Der Beschwerdeführer erhielt eine Fiktionsbescheinigung des Landkreises D. - Ausländerbehörde, nach der sein Aufenthalt zunächst für drei Monate bis zum 21. Februar 2007 als erlaubt galt und deren Verlängerung von einer erfolgreichen Arbeitssuche abhängig sein sollte. Der Beschwerdegegner gewährte neben Frau E. auch dem Beschwerdeführer unterhaltssichernde Leistungen nach dem SGB II, die sie im Anschluss an die Geltungsdauer der ausländerbehördlichen Fiktionsbescheinigung ebenfalls bis zum 21. Februar 2007 befristete und auf die sie das vom Beschwerdeführer erzielte Einkommen aus Zahlungen der britischen Arbeitslosenversorgung (nach einer vom Beschwerdeführer vorgelegten Bescheinigung wöchentlich 57,45 Pfund) anrechnete.
Am 20. Februar 2007 sprach Frau E. bei dem Beschwerdegegner vor und reichte eine weitere, bis zum 21. Mai 2007 gültige Fiktionsbescheinigung der Ausländerbehörde zu den Akten. Dem Beschwerdeführer bis dahin weitere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, lehnte der Beschwerdegegner gleichwohl mit Bescheid vom 27. Februar 2007 ab. Diesen Bescheid richtete er an Frau E., die am 21. März 2007 Widerspruch erhob und geltend machte, sie lebe mit dem Beschwerdeführer wie ein Ehepaar, deshalb könnten beide auch entsprechende Leistungen beanspruchen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2007 wies der Beschwerdegegner den Widerspruch unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II zurück. Zur Begründung führte er aus, dass von den Tatbeständen, die nach § 2 des Freizügigkeitsgesetzes-EU (FreizG/EU) den Aufenthalt eines EU - Bürgers legitimieren könnten, lediglich § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizG/EU erfüllt sei. Insbesondere handele es sich bei der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers nicht um eine Familienangehörige, mit der eine Familienzusammenführung möglich sei. Einen Überprüfungsantrag des Beschwerdeführers lehnte er mit Bescheid vom 4. April 2007 ebenfalls ab.
Am 30. April 2007 ist gegen den Bescheid des Beschwerdegegners vom 27. Februar 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2007 Klage erhoben worden, die bei dem Sozialgericht Hannover zum Aktenzeichen S 49 AS 888/07 anhängig ist.
Am 5. April 2007 haben der Beschwerdeführer und Frau E. erneut Leistungen des Beschwerdegegners nach dem SGB II beantragt. Hierzu haben sie sich auf eine bis zum 31. März 2008 befristete Bescheinigung des Landkreises D. nach § 5 Freizügigkeitsgesetz-EU vom 2. April 2007 bezogen und geltendgemacht, über keine Geldmittel mehr zu verfügen. Mit zwei Bescheiden vom 12. April 2007 hat die Beschwerdegegnerin für die Monate April bis Mai 2007 sowie für die Monate Juni bis November 2007 Leistungen in Höhe von 475,55 Euro monatlich gewährt, wobei sie den Beschwerdeführer als bei der Berechnung berücksichtigtes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft aufgeführt, ihm jedoch im Berechnungsteil der Bescheide keinen Bedarf und keine Leistungen zugeordnet hat.
Am 16. Mai 2007 hat der Beschwerdeführer bei dem Sozialgericht Hannover unter Hinweis auf die rechtshängige Klage um den Erlass einer einstweiligen Anordnung nachgesucht. Er hat geltend gemacht, einen Leistungsanspruch nach dem SGB II zu haben, weil § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ihn hiervon nicht wirksam ausnehme. Der Zweck seines Aufenthalts sei nicht allein die Arbeitsaufnahme. Vielmehr gehe es ihm auch darum, mit Frau E. zusammenzuleben. Im Übrigen ergebe sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass Bürger der EU - Mitgliedsstaaten im Rahmen der Freizügigkeit nicht bloß ein Bleiberecht, sondern auch einen Anspruch auf Teilhabe am staatlichen Sozialleistungssystem hätten.
Mit Beschluss vom 13. Juni 2007 hat das Sozialgericht Hannover den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II schließe Ansprüche des Beschwerdeführers wirksam aus. Sein Aufenthaltsrecht ergebe sich lediglich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt ...