Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchender. Einkommensberücksichtigung. Einbehalt eines Teils des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber. Arbeitgeberdarlehen zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges. keine Berücksichtigung der Schuldentilgung. bereite Mittel
Orientierungssatz
Die monatliche Tilgung eines Arbeitgeberdarlehens unmittelbar an den Arbeitgeber führt nicht dazu, dass grundsicherungsrechtlich lediglich der Überweisungsbetrag als Einkommen gem § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 berücksichtigt wird.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 1. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich gegen ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Braunschweig, mit dem seine im Ergebnis auf die Gewährung von höheren Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende gerichtete Klage abgewiesen worden ist.
Der 1970 geborene Kläger stand bereits seit längerem im Bezug laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (LSL) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem beklagten Jobcenter, einer sogenannten Optionskommune nach §§ 6a f. SGB II, als sein PKW im Sommer 2011 einen Totalschaden erlitt und nicht mehr fahrtüchtig war. Zu dieser Zeit ging der Kläger einer Erwerbstätigkeit als Kraftfahrer bei der Firma H., in I. nach bis 31. Oktober 2011 befristeter Arbeitsvertrag v. 4. Mai 2011 unter Bl 1580 der vom Beklagten beigezogenen Leistungsakte (LA), verlängert bis 30. April 2012 durch Vertrag v. 31. Oktober 2011 = Bl 1718 LA). Er erzielte ein Einkommen iHv monatlich brutto 1.300 Euro (§ 4 des Arbeitsvertrags). Das Nettoeinkommen lag
• von August bis November 2011 bei 971,54 Euro (Verdienstbescheinigung für 8/2011 unter Bl 1676 LA, für 9/2011 unter Bl 1706 LA, für 10/2011 unter Bl 1717 LA, für 11/2011 unter Bl 1758);
• im Dezember 2011 bei 988,04 Euro (Verdienstbescheinigung unter Bl 1813 LA);
• von Januar 2012 bis März 2012 bei 975,82 Euro (Verdienstbescheinigung für 1/2012 unter Bl 1796 LA, für 2/2012 unter Bl 74 dA, für 3/2012 unter Bl 74R dA) und
• im April 2012 bei 487,96 Euro (Verdienstbescheinigung unter Bl 75 dA).
Für den Zeitraum Juni bis November 2011 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 23. Mai 2011 vorläufig LSL iHv 53,99 Euro monatlich (Bl 1592 LA). Als Bedarf für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) wurden berücksichtigt: 333,60 Euro für Miete und 88 Euro für Heizung, insgesamt also 421,60 Euro. Nach Vorlage der Verdienstbescheinigungen für Juni 2011 (Bl 1619 LA) und für Juli 2011 (Bl 1630 LA) erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid für diese beiden Monate (vom 11. August 2011 = Bl 1654 LA).
Mit Schreiben vom 9. August 2011 informierte der Kläger den Beklagten darüber, dass er nunmehr mit einem PKW zur Arbeitsstelle fahre, den sein Arbeitgeber “vorfinanziert„ habe (Bl 1629 LA). Wenig später übersandte er einen Darlehensvertrag vom 26. August 2011 über 1.600 Euro (mit Schreiben v. 1. September 2011 = Bl 1675 LA, Vertrag unter Bl 1677 LA). Der Vertrag war zweckgebunden zum Kauf eines PKW (§ 1 Satz 2 des Vertrags). In dem Vertrag heißt es in § 3 - Tilgung:
“(1) Der Arbeitnehmer tilgt das gewährte Darlehen in monatlichen Raten ab 01.09.2011 mit € 100,00. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Tilgungsrate gleichzeitig von der jeweiligen Monatsvergütung/von der letzten Monatsvergütung des Kalendervierteljahres einzubehalten.
(2) Ist ein Einbehalt nicht möglich, hat der Arbeitnehmer die Tilgungsrate und die Zinsen zum Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen.
(3) „
Das Darlehen ist von dem Arbeitgeber, wie vertraglich vereinbart, unmittelbar an den Verkäufer des PKW ausgekehrt worden (Schriftsatz v. 19. Oktober 2015 = Bl 68 dA).
In seinem Schreiben vom 1. September 2011 begehrte der Kläger, die Tilgung bei der Berechnung der Leistungshöhe für die Zeit ab September zu berücksichtigen.
Nach Vorlage der Verdienstbescheinigung für August 2011 (Bl 1676 LA; der Überweisungsbetrag entspricht dem Nettolohn iHv 971,54 Euro) erließ der Beklagte einen “Anpassungsbescheid„ für diesen Monat (vom 22. September 2011 = Bl 1687 LA) und setzte die LSL auf 330,51 Euro fest.
Am selben Tag erließ der Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Mai 2011 für die Zeit ab 1. September 2011 einen “vorläufigen Bescheid„ für den Zeitraum September bis November 2011 und setzte die LSL auf monatlich 79,25 Euro fest (Bl 1693 LA). Zur Begründung führte der Beklagte aus, aufgrund der neuen Kfz-Versicherung ergebe sich ein niedrigerer Leistungsanspruch (Anm.: Die berücksichtigte Kfz-Versicherung war tatsächlich 4,74 Euro niedriger, dafür setzte der Beklagte aber nunmehr eine Versicherungspauschale iHv 30 Euro an, so dass sich das anrechenbare Einkommen auf 706,35 Euro verringerte, mit dem Ergebnis, dass in Wirklichkeit mehr LSL als vorher gewährt wurden).
Nach Vorlage der Verdienstbescheinigung für September 2011 (Bl 1706 LA; der Überweisungsbetrag entspricht dem um 100 Euro verminderten Nettolohn: 871,54 Euro) erlie...