Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen Entscheidung über die Ablehnung eines Sachverständigen

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen einen Beschluss des Sozialgerichts über die Ablehnung eines Sachverständigen ist auch nach Inkrafttreten des SGG-ArbGG-ÄndG vom 26.3.2008 (juris: SGG/ArbGGÄndG) die Beschwerde nach § 172 Abs 1 SGG zulässig (anderer Ansicht: LSG Stuttgart vom 27.1.2010 - L 7 R 3206/09 B).

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Mit der Beschwerde wendet sich die Klägerin und Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 15. Juni 2010, mit dem das SG das Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen Dr C. zurückgewiesen hat.

Die Beteiligten streiten in dem Verfahren S 19 KR 731/09 beim SG Hannover um einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses der Klägerin gegen die Beklagte. Grundlage des Rechtsstreits ist die Frage, über welchen Zeitraum eine stationäre Krankenhausbehandlung im Hause der Klägerin medizinisch erforderlich war. Zur Klärung dieser Frage hat das SG bei der Fa. D. GmbH, Gesellschaft für medizinische Gutachten in E. um den Vorschlag eines geeigneten Sachverständigen gebeten. Nach erteiltem Vorschlag hat das SG mit Beweisanordnung vom 17. März 2010 den Sachverständigen Dr C. mit einem medizinischen Gutachten beauftragt. Daraufhin hat die Klägerin den Sachverständigen Dr C. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Sachverständige für das Unternehmen D. GmbH tätig sei. Diese sei als Dienstleister für private und gesetzliche Krankenversicherungen, öffentliche Arbeitgeber, Gerichte, Ärzte, Patienten und Arbeitgeber tätig. Da das Unternehmen vorwiegend für Versicherungen tätig sei, rechtfertige dies den Schluss einer fehlenden Unparteilichkeit.

Das SG hat eine Äußerung des Sachverständigen eingeholt. Dieser hat folgende Erklärung abgegeben:

"Ich bin freier Gutacher. Es besteht ein Werkvertrag mit dem Zentrum für Begutachtungen. Ich bin an keine Weisungen der D. GmbH gebunden. Meine Gutachten werden aufgrund langjähriger internistischer Tätigkeit sowie anhand von Leitlinien, in diesem Fall Leitlinien der Deutschen Kardiologischen Gesellschaft, erstellt. Eine Befangenheit besteht meinerseits eindeutig nicht."

Mit Beschluss vom 15. Juni 2010 hat das SG den Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen Dr C. zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Gründe für Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen nicht ersichtlich seien. Die von der Klägerin geltend gemachten Ablehnungsgründe würden sich nicht auf die Person des Sachverständigen selbst, sondern ausschließlich auf die D. GmbH beziehen. Hierbei verkenne die Klägerin jedoch, dass für die Erstattung des Gutachtens ausschließlich der Sachverständige und nicht das Begutachtungsinstitut als solches verantwortlich sei. Dem könne die Klägerin auch nicht entgegen halten, dass aus der Tätigkeit des Sachverständigen für das Begutachtungsinstitut eine Besorgnis der Befangenheit folgen könne. Denn der Gutachter unterliege im Verhältnis zum Institut keinerlei Weisungen. Das SG hat weiterhin ausgeführt, dass die Beschwerde gegen diesen Beschluss unzulässig sei.

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin Beschwerde eingelegt, die am 2. Juli 2010 beim SG Hannover eingegangen ist. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass entgegen der Auffassung des SG die Beschwerde gem § 172 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch nach Änderung des § 172 Abs 2 SGG zulässig sei. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Denn in der konkreten Aufzählung in § 172 Abs 2 SGG, wonach die Beschwerde in bestimmten Konstellationen unzulässig sei, würden nur Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen und nicht von Sachverständigen ausdrücklich genannt. Die andere Auffassung des SG, die sich auch im Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 27. Februar 2010, AZ: L 7 R 3206/09 B, wiederfinde, sei nicht zutreffend. Die Auffassung des LSG Baden-Württemberg, dass § 172 Abs 2 SGG auf Beschlüsse über die Ablehnung von Sachverständigen analog anzuwenden sei, sei nicht zutreffend. Eine analoge Anwendung des § 172 Abs 2 SGG komme gerade nicht in Betracht, weil keine planwidrige Regelungslücke vorliege. Während in § 128 Abs 2 FGO Sachverständige neben Gerichtspersonen und Dolmetschern genannt würden, sei dies bei § 172 Abs 2 SGG ausdrücklich nicht der Fall. Mithin könne nicht von einer planwidrigen Regelungslücke in § 172 Abs 2 SGG ausgegangen werden. Die Beschwerde sei nicht nur zulässig, sondern auch begründet. Die Tatsache, dass der Sachverständige selbst erkläre, er sei ein freier Gutachter und unterstehe keinen Weisungen, sei nicht ausreichend, um sämtliche Anhaltspunkte für Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit auszuräumen. Weisungen oder Druck könnten sowohl direkt als auch indirekt ausgeübt werden. Auf der Internetseite der D. GmbH würden unte...

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