Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. angemessene Unterkunftskosten. Wohnflächengrenze für Alleinstehende in Niedersachsen. temporäre Bedarfsgemeinschaft mit einem Kind. Bildung eines Mittelwerts aus Einpersonen- und Zweipersonenhaushalt. Fehlen eines schlüssigen Konzepts. Anwendung der Wohngeldtabelle
Leitsatz (amtlich)
1. Das Bestehen einer sog temporären Bedarfsgemeinschaft iS der Rechtsprechung des BSG (zB Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R = BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1) gebietet es auch, für den Bereich der Unterkunftskosten das Vorliegen eines erhöhten Bedarfs sorgfältig zu prüfen, um die grundgesetzlich geschützten und zu fördernden Aufenthalte von Kindern bei dem sorge- oder umgangsberechtigten Elternteil (vgl Art 6 Grundgesetz - GG) zu gewährleisten.
2. Im entschiedenen Fall war zur Umsetzung dementsprechend der Mittelwert zwischen der nach anzuwendendem Landesrecht (hier: Wohnraumförderungsbestimmungen Niedersachsen - WFB 2003, Nds MBl 2006, 973) für eine und der für zwei Personen angemessenen Wohnfläche und hier weiterhin der entsprechende Mittelwert nach der Tabelle nach § 12 Wohngeldgesetz (juris: WoGG) anzunehmen. Eine Übertragbarkeit auf andere Fälle lässt der Senat insoweit ausdrücklich offen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 1. Juli 2011 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache ein Mietkautionsdarlehen in Höhe von 395,-- Euro für die Wohnung F. 25 in G. zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin beider Rechtszüge zu tragen.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. I., J., bewilligt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner die Gewährung einer Mietsicherheit für die von ihr mit Wirkung ab dem 1. März 2011 angemietete Wohnung in der F. 25 in G., ferner Umzugskosten sowie Kosten für Erstausstattungsgegenstände.
Im März 2010 trennte sich die Antragstellerin von ihrem Ehemann. Nach der Trennung bewohnte sie zunächst eine Wohnung im Haus ihres Ehemanns auf der Grundlage eines bis zum 15. Februar 2011 befristeten Mietvertrags. Seit dem 30. März 2010 bezieht sie (mit Unterbrechungen) Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende von dem Antragsgegner (z.B. Bescheide vom 10. Mai 2010). Unter dem 27. Januar 2011 legte sie bei dem Antragsgegner eine Mietbescheinigung für die Wohnung F. 25 in K. vor. Diese besteht aus zwei Zimmern, Küche, Bad und Flur mit einer Wohnfläche von 56 qm. Der monatliche Kaltmietzins beläuft sich auf 325,-- Euro und die "kalten" Nebenkosten auf 70,-- Euro. Ausweislich der Mietbescheinigung wollten zwei Personen die Wohnung dauerhaft nutzen. Der Antragsgegner erließ daraufhin unter dem 8. Februar 2011 einen Bescheid, mit dem er feststellte, dass der Umzug durch Trennung erforderlich sei und ausgehend von dem vorgelegten Mietangebot die Unterkunftskosten für die neue Wohnung angemessen wären. Die Umzugskosten sowie eine darlehensweise Mietsicherheit würden auf Antrag übernommen. Der Antragsgegner erteilte ferner die Zusicherung zum Umzug. Es wurde der Zusatz aufgenommen, dass die Zusicherung nur gelte, wenn der Sohn der Antragstellerin, L. M., die Wohnung mit beziehe. Mit Schreiben vom 15. Februar 2011 beantragte die Antragstellerin die Kosten für einen Umzugswagen sowie verschiedene Ausstattungsgegenstände. Ausweislich einer Rechnung vom 28. Februar 2011 hatte sie am 26./27. Februar 2011 einen Kleintransporter bei der Autovermietung N. in K. angemietet und dafür 156,30 Euro aufgewendet. Unter dem 7. März 2011 legte die Antragstellerin eine schriftliche Erklärung ihres getrennt lebenden Ehemannes vom 5. März 2011 bei dem Antragsgegner vor, mit der dieser bestätigte, dass der gemeinsame Sohn jedes zweite Wochenende, einen Teil der Ferien und die Feiertage bei der Antragstellerin verbringe. Mit Bescheid vom 14. März 2011 lehnte der Antragsgegner die Gewährung der Mietsicherheit, der Kosten für den Umzugstransporter sowie für Erstausstattungsgegenstände ab, da sich der Sohn nach der vorgelegten Bescheinigung nur sporadisch bei der Antragstellerin und überwiegend bei seinem Vater aufhalte. Da die Zusicherung zum Umzug nur mit dem Zusatz erteilt worden sei, dass der Sohn die Wohnung mit beziehe, habe diese keinen Bestand mehr. Mit Bescheid vom 15. März 2011 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende für die Zeit vom 1. März bis zum 31. Juli 2011; an Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligte er 330,-- Euro monatlich. Den gegen diese Bescheide erhobenen Widerspruch vom 28. März 2011, mit dem die Antragstellerin geltend machte, dass ihr Sohn sich häufiger bei ihr aufhalte, wies der Antragsgegner durch Bescheid vom 5. Mai 2011 ...