Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Berufung. Untätigkeitsklage. Wertgrenze. Unzulässigkeit. kumulative Einlegung von Rechtsmitteln: Antrag auf mündliche Verhandlung gem § 105 Abs 2 S 2 SGG. Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Die Wertgrenzen nach § 144 Abs. 1 S. 1 SGG gelten auch für für die Statthaftigkeit einer Berufung bei Untätigkeitsklagen, soweit diese den Erlass eines auf Geldleistung gerichteten Verwaltungsaktes betreffen (hier: Beitragsbescheid).
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn nach Erlass eines Gerichtsbescheides, gegen den die Berufung nicht gegeben ist, neben der Nichtzulassungsbeschwerde auch ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt wird.
Tenor
Die Nichtzulassungsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 13. Juni 2008. Zeitgleich mit der Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger beim SG Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
Mit Bescheid der Beklagten vom 13. November 2007 wurde der Kläger für die Zeit vom 28. Juli 2006 bis 28. Januar 2007 zu Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung (einschl. Säumniszuschlägen und Kosten / Gebühren) i.H.v. 597,40 EUR veranlagt.
Nachdem der Widerspruch des Klägers vom 16. November 2007 (Eingang bei der Beklagten am 20. November 2007) zunächst nicht beschieden worden war, erhob der Kläger am 8. Februar 2008 beim SG Klage gegen diesen Bescheid.
Während des laufenden Klageverfahrens erließ die Beklagte unter dem 6. März 2008 einen Abhilfebescheid, mit dem sie den angefochtenen Beitragsbescheid aufhob. Die überzahlten Beiträge wurden dem Kläger zurück überwiesen.
Nachdem der Kläger noch mit einem auf den 22. Februar 2008 datierten und am 7. Mai 2008 beim SG eingegangenen Schriftsatz um Mitteilung eines Verhandlungstermins gebeten hatte, hat das SG den Kläger darauf hingewiesen, dass die Klage sich erledigt haben dürfte. Gleichzeitig hat das SG die Beteiligten zu seiner Absicht angehört, über die Klage durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) zu entscheiden (richterliche Verfügung vom 8. Mai 2008). Auf diese Verfügung hat der Kläger nicht reagiert.
Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass nach Erlass des Abhilfebescheides kein Rechtsschutzinteresse für eine Untätigkeitsklage mehr bestehe. Der Kläger habe auch auf Nachfrage des Gerichts nicht vorgetragen, was er mit seiner Klage noch begehre bzw. worin eine mögliche Beschwer liegen könne. Allerdings sei die Beklagte zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten verpflichtet, da sie den Widerspruch erst nach Ablauf der Sperrfrist des § 88 SGG beschieden habe (Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2008).
Am 8. Juli 2008 hat der Kläger beim SG die Durchführung einer mündliche Verhandlung beantragt und gleichzeitig beim LSG eine - inhaltlich nicht näher begründete - Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Einziger statthafter Rechtsbehelf gegen den Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2008 ist der Antrag auf mündliche Verhandlung.
Nach § 105 Abs. 2 SGG können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.
Gegen den Gerichtsbescheid des SG ist keine Berufung gegeben, weil der erforderliche Mindeststreitwert von mehr als 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung) nicht erreicht wird. Denn die streitige Beitragsforderung betrug lediglich 440,68 EUR bzw. (einschl. Säumniszuschlägen, Kosten und Gebühren 597,40 EUR).
Diese Wertgrenze für eine Berufung gilt auch bei Untätigkeitsklagen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 144 Rn 13; Kummer, NZS 1993, 285, 288). Der vom LSG Berlin-Brandenburg vertretenen Gegenauffassung, wonach Berufungen bei Untätigkeitsklagen unabhängig vom Streitwert statthaft sein sollen (Beschluss vom 8. November 2007 - L 15 B 174/07 SO NZB), stimmt der erkennende Senat nicht zu. Zwar trifft es zu, dass mit einer Untätigkeitsklage nicht die Verurteilung zur Leistung, sondern lediglich zur Bescheidung verlangt werden kann (vgl. Rn 2 des o.g. Beschlusses des LSG Berlin-Brandenburg). Allerdings gilt die Wertgrenze von 750,00 EUR nicht nur für Leistungsklagen z.B. wegen Geldleistungen (hier: wegen Sozialversicherungsbeiträgen), sondern - wie bei Untätigkeitsklagen - auch für Klagen auf Erlass eines auf Geldleistung gerichteten Verwaltungsaktes (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG letzte Tatbestandsalternative).
Bei nicht gegebener Berufung sieht das SGG als Rechtsbehelf den Antrag auf mündliche Verhandlung vor...