Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts bei einem Streit um Krankenhausvergütung
Orientierungssatz
1. Als örtlich zuständiges Gericht ist dasjenige Gericht zu bestimmen, an welches zuerst verwiesen wurde. Eine hiervon abweichende Zuständigkeitsbestimmung darf nur dann erfolgen, wenn sich der Verweisungsbeschluss als willkürlich bzw. grob verfahrensfehlerhaft darstellt oder die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 Nr. 1 SGG vorliegen. Diese Regelung verhindert Kettenzuweisungen.
2. Nach dem Grundsatz der perpetuatio fori bleibt ein einmal zuständig gewesenes Gericht auch dann für ein bereits anhängiges Verfahren weiterhin zuständig, wenn die maßgebliche Zuständigkeitsregelung geändert wird.
3. Die Sonderzuständigkeit nach § 57 a SGG erfasst seit dem 1. 4. 2008 auch Verweisungsangelegenheiten aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung.
Tenor
Es wird bestimmt, dass das Sozialgericht Oldenburg das zuständige Gericht ist.
Gründe
I.
Das vorliegende Verfahren betrifft die Bestimmung des zuständigen erstinstanzlichen Gerichts nach § 58 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus. Sie verlangt mit ihrer am 14. Juli 2006 beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhobenen Klage von der beklagten Krankenkasse die Zahlung von weiteren 823,80 EUR nebst Zinsen für die vom 7. Mai bis 14. Mai 2003 erfolgte stationäre Behandlung der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten F.. In der Sache ist streitbefangen, ob die Abrechnung auf der Grundlage der Fallpauschale DRG F 71 A oder DRG F 71 B vorzunehmen ist.
Das SG Oldenburg hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 2. Juli 2008 an das SG Hannover verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) - SGGArbGGÄndG - u.a. § 57a SGG geändert worden sei. Nach der Neufassung des § 57a Abs. 3 SGG falle das vorliegende Klageverfahren in die örtliche Zuständigkeit des SG Hannover. Da es sich bei der Änderung des § 57a Abs. 3 SGG ausweislich der Gesetzesbegründung jedoch nur um eine redaktionelle Klarstellung und nicht um eine inhaltliche Änderung handele, sei das SG Hannover nicht erst seit dem 1. April 2008, sondern bereits von Anfang an für das Verfahren zuständig gewesen.
Das SG Hannover hat sich mit Beschluss vom 28. August 2008 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und das Landessozialgericht zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts angerufen.
II.
Für das Hauptsacheverfahren (S 6 KR 151/06 [SG Oldenburg] / S 2 KR 408/08 [SG Hannover]) ist das Sozialgericht Oldenburg örtlich zuständig. Damit schließt sich der erkennende Senat der Rechtsauffassung des 4. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen an (Beschluss vom 11. Dezember 2008 - L 4 B 54/08 KR).
Nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG ist das gemeinsame nächsthöhere Gericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen, wenn sich in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, rechtskräftig für unzuständig erklärt haben (sog. negativer Kompetenzkonflikt).
Auch im Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG ist die Bindungswirkung des zuerst ergangenen Verweisungsbeschlusses zu beachten (§ 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 S. 3 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG). Diese Bindungswirkung sichert den Anspruch der Rechtssuchenden auf effektiven Rechtsschutz und verhindert sog. “Kettenverweisungen„. Dementsprechend ist in aller Regel dasjenige Gericht als das zuständige Gericht zu bestimmen, an welches zuerst verwiesen wurde (hier: SG Hannover). Eine hiervon abweichende Zuständigkeitsbestimmung darf nur dann erfolgen, wenn sich der Verweisungsbeschluss als willkürlich bzw. grob verfahrensfehlerhaft darstellt oder wenn die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 Nr. 1 SGG vorliegen (vgl. im Einzelnen: BSG, Beschluss vom 13. Oktober 1981 - 1 S 12/81; Beschluss vom 25. Oktober 2004 - B 7 SF 20/04 S; HK-SGG/Groß, 3. Auflage 2008, § 58 Rn 9; Meyer-Ladewig/Keller/Leither, SGG, 9. Auflage 2008, § 58 Rn 2f und § 98 Rn 9; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Auflage 2008, II Rn 99; Danckwerts in: Hennig, SGG, § 58 Rn 6; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 57 Rn 7). Die Bindungswirkung des zuerst ergangenen Verweisungsbeschlusses entfällt nach allgemeiner Meinung auch dann, wenn dieser gegen den Grundsatz der sog. perpetuatio fori verstößt (BSG, Beschluss vom 8. Mai 2007 - B 12 SF 3/07 S, SozR 4-1500 § 57 Nr. 2; Meyer-Ladewig/Keller/Leither, a.a.O., § 98 Rn 9a).
Der Verweisungsbeschluss des SG Oldenburg vom 2. Juli 2008 verstößt gegen den Grundsatz der perpetuatio fori und entfaltet daher keine Bindungswirkung. Örtlich zuständig ist das SG Oldenburg, da dieses Gericht schon vor dem 1. April 2008 für das Klageverfahren zuständig war und auch nach Inkrafttreten des SGGArbGGÄndG für das zu diesem Zeitpunkt an diesem Gericht bereits anhängig gewesene Verfahren ("Altfall") zuständig geblieben ist.
Entge...