Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. freiwillige Versicherung. Gewährung von Krankenversicherungsschutz durch einstweilige Anordnung. Vorversicherungszeit. unrechtmäßiger Bezug von Arbeitslosengeld II

 

Orientierungssatz

1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, also die Notwendigkeit einer Eilentscheidung voraus. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf für den Antragsteller nicht zumutbar sein. Sofern der Antragsteller aber Anspruch auf Leistungen nach § 264 Abs 2 SGB 5 hat, sind bei einem Streit um die Aufnahme als freiwillig Versicherter einer gesetzlichen Krankenkasse die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gegeben.

2. Ein rechtswidriger Bezug von Arbeitslosengeld II infolge des Fehlens von Erwerbsfähigkeit iS der gesetzgeberischen Begründung kann nur dann vorliegen, wenn der Leistungsbezug, der aufgrund eines bestandskräftigen Bewilligungsbescheides erfolgte, bis zur Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides formell rechtmäßig erfolgte, gleichwohl aber materiell-rechtlich unrechtmäßig ist, weil Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden ist.

3. Nur eine vorübergehende Versicherungspflicht aufgrund materiell unrechtmäßigen Bezuges von Arbeitslosengeld II soll eine Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht eröffnen.

 

Tatbestand

Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die vorläufige Aufnahme als freiwillig Versicherter bei der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller ist 1959 geboren. Er bezog vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2006 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit I. und der Stadt I. (ARGE I.) holte am 11. Oktober 2005 ein psychologisches Gutachten ein. Der Diplom-Psychologe J. führte darin aus, dass nach den Ergebnissen der psychologischen Eignungsuntersuchung eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für den Antragsteller nicht in Betracht komme. Mit Bescheid vom 5. April 2006 hob die ARGE die Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab dem 1. Mai 2006 ganz auf, da die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 SGB II nicht vorlägen.

Am 16. Juni 2006 beantragte der Antragsteller die Aufnahme zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Juli 2006. Die Antragsgegnerin lehnte dies mit Bescheid vom 21. September 2006 ab, da eine gesetzliche Krankenversicherung nicht in den letzten fünf Jahren mindestens vierundzwanzig Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden aus der letzten Versicherung mindestens zwölf Monate ununterbrochen bestanden habe. Versicherungszeiten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V, die auf Grund eines unrechtmäßigen Bezuges von Alg II aufgebaut worden seien, fänden bei der Prüfung der Vorversicherungszeit keine Berücksichtigung. Den Widerspruch des Antragstellers wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2006 zurück. Da der Diplom-Psychologe J. bereits am 11. Oktober 2005 festgestellt habe, dass das Leistungsvermögen derart eingeschränkt sei, dass eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in Betracht komme, habe der Antragsteller ab diesem Tag Alg II zu Unrecht bezogen.

Der Antragsteller hat am 26. Oktober 2006 Klage vor dem Sozialgericht (SG) erhoben und gleichzeitig im Wege der einstweiligen Anordnung eine vorläufige Weiterversicherung beantragt.

Das SG Oldenburg hat mit Beschluss vom 14. November 2006 die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragsteller vorläufig bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens als freiwilliges Mitglied aufzunehmen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig und begründet. Das Vorliegen eines Anordnungsanspruches sei nach summarischer Prüfung zu bejahen. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 SGB V lägen vor. Der Antragsteller sei bis zum 30. April 2006 versicherungspflichtiges Mitglied bei der Antragsgegnerin gewesen und damit unmittelbar vor dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht mindestens zwölf Monate, nämlich vom 1. Januar 2005 bis zum 30. April 2006 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V durch den Bezug des Alg II versichert. Der Leistungsbezug sei auch nicht zu Unrecht im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfolgt. Rechtsgrundlage für den Leistungsbezug sei die Entscheidung der ARGE I. über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II gewesen. Diese Bewilligung sei nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden. Es könne offen bleiben, ob bei dem Antragsteller für den Zeitraum des Leistungsbezuges nach dem SGB II Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 8 SGB II vorgelegen habe. Eine eigene Prüfungskompetenz hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit stehe der Antragsgegnerin nicht zu. Nach § 44 a SGB II stelle die Agentur für Arbeit fest, ob der Arbeitssuchende erwerbsfähig und hilfebedürftig sei. Der entsprechenden Entscheidung komme nach allgemeinen Regeln auch Tatbestand...

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