Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Geltendmachung von (sozialhilferechtlichen) Ansprüchen durch eine im Maßregelvollzug untergebrachte Person. Forderung von pauschaler Bekleidungsbeihilfe. Angelegenheit der Sozialhilfe. Eröffnung des Sozialrechtswegs. keine Teilverweisung des Rechtsstreits hinsichtlich weiterer, den Maßregelvollzug betreffende Anträge
Orientierungssatz
1. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass für Personen im Maßregelvollzug (wie auch im Strafvollzug) neben der Versorgung durch die jeweilige Einrichtung sozialhilferechtliche Leistungsansprüche grundsätzlich in Betracht kommen (vgl BVerfG vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 = BVerfGK 14, 99).
2. Macht eine im Maßregelvollzug untergebrachte Person unter ausdrücklicher Berufung auf § 27b SGB 12 eine pauschale Bekleidungsbeihilfe geltend, handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der Sozialhilfe, für die gemäß § 51 Abs 1 Nr 6a SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig sind.
3. Hinsichtlich der Geltendmachung von weiteren Leistungen, die Angelegenheiten des Maßregelvollzugs und nicht solche der Sozialhilfe betreffen, kommt eine nur teilweise Verweisung des Rechtsstreits nicht Betracht, da eine solche gegen § 17a Abs 2 S 1 GVG verstoßen würde.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 22. April 2020 aufgehoben.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Eine weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I Der im Maßregelvollzug in einer Einrichtung der Beklagten im Landkreis Göttingen untergebrachte Kläger wendet sich mit seiner Rechtswegbeschwerde gegen den Beschluss vom 22.4.2020, mit dem das Sozialgerichts (SG) Hildesheim den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht (LG) Göttingen - Strafvollstreckungskammer - verwiesen hat.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 6.8. 2018 beim SG Hildesheim Klage - S 34 SO 135/18 - erhoben gegen die Beklagte (ursprünglich Beklagte zu 1) sowie gegen das Niedersächsische Ministerium für Soziales und den Niedersächsischen Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung (ursprüngliche Beklagte zu 2 und 3). In der Sache hat er zwölf Anträge gestellt und diese auch im Folgenden umfangreich begründet. Mit den Anträgen zu 1 und 2 beantragt der Kläger, die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 5.7.2018 zu verurteilen, ihm einen monatlichen Barbetrag von 37,32 € statt bewilligter 32,32 € (auf das Konto seiner Tochter) zu zahlen. Mit dem darauf bezogenen Antrag zu 3 beantragt er die Verpflichtung der ursprünglich drei Beklagten, die seines Erachtens strafrechtlich relevanten Umstände der Gewährung des Barbetrages aufzuklären, und mit dem Antrag zu 4 ihre Verpflichtung zur Gewährung einer Bekleidungsbeihilfe von halbjährlich 150,00 €. Mit den Anträgen zu 5 bis 10 begehrt der Kläger die Verpflichtung der drei Beklagten, Bescheide zu erlassen über Art und Ausgestaltung seiner Bekleidungseinkäufe, die Feststellung seines Kleidungsbedarfs, die Zulässigkeit von Lieferungen per Postpaket (Fach- und Sachbücher, Schreibwaren, Körperpflegeartikel) sowie die Erlaubnis für den Besuch von Tochter und deren Ehemann. Mit dem Antrag zu 11 begehrt er die Verpflichtung der drei Beklagten, ihm ein ausreichend großes Einzelzimmer zur Verfügung zu stellen, und mit dem Antrag zu 12 die gerichtliche Feststellung, dass die Wohnverhältnisse auf der Station 14 unzumutbar sind.
Das SG hat die gegen die Beklagten zu 2 und 3 gerichteten Klageverfahren mit Beschluss vom 25.2.2020 abgetrennt, unter dem Aktenzeichen S 34 SO 24/20 weitergeführt und an das Verwaltungsgericht Hannover verwiesen. Im Klageverfahren S 34 SO 135/18 verblieb allein die Beklagte. Am 22.4.2020 ist der eingangs genannte Verweisungsbeschluss ergangen. Mit seiner dagegen am 8.5.2020 eingelegten Beschwerde macht der Kläger im Wesentlichen geltend, der von ihm beschrittene Rechtsweg zum SG sei gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG zulässig.
II. Die gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG zulässige Beschwerde ist begründet. Das SG hat zu Unrecht gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das LG Göttingen - Strafvollstreckungskammer - verwiesen.
Die Klage betrifft nicht ausschließlich Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzugs freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung, in denen gemäß § 109 Abs. 1 StVollzG ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden kann, über den gemäß § 110 StVollzG die Strafvollstreckungskammer entscheidet, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat.
Bei der durch den Klageantrag zu 3 begründeten Streitigkeit über eine halbjährliche pauschale Bekleidungsbeihilfe von 150,00 € handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angeleg...