Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsförderung. Sperrzeit nach Meldeversäumnis. Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung. fehlende Nennung des Sperrzeitbeginns
Leitsatz (amtlich)
1. Für eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 SGB II ist eine konkrete Belehrung auch über den Beginn der drohenden Sperrzeit erforderlich (vgl BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R = BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5). Es besteht kein Anlass, hinsichtlich der Belehrung über den Beginn einer Sperrzeit an eine Rechtsfolgenbelehrung nach § 159 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB III geringere Anforderungen zu stellen als an eine Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 SGB II.
2. Wie eine derartige Belehrung zum Beginn der Sperrzeit bei einem Meldeversäumnis lauten kann, ist bereits höchstrichterlich geklärt (vgl BSG vom 25.8.2011 - B 11 AL 30/10 R = SozR 4-4300 § 144 Nr 22).
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 29. August 2016 (S 9 AL 139/14) wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Die Beklagte begehrt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 29. August 2016.
In der Sache streiten die Beteiligten um den Eintritt einer Sperrzeit aufgrund eines Meldeversäumnisses für den Zeitraum vom 19. Juni bis 25. Juni 2014 im Rahmen von Arbeitslosengeldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III).
Der am E. 1975 geborene Kläger meldete sich bei der Beklagten mit Wirkung zum 1. Februar 2013 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab dem 6. Februar 2013 fortlaufend Alg zunächst in Höhe von 44,06 EUR täglich. Durch Bescheid vom 17. Juni 2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger zuletzt Leistungen für den Zeitraum 1. Juni 2014 bis 21. Juli 2014 in Höhe von 44,17 EUR täglich.
Mit Schreiben vom 12. Mai 2014 hatte die Beklagte den Kläger zu einem Meldetermin am 18. Juni 2014 eingeladen. Gegenstand des Gesprächs sollten die Bewerbungsaktivitäten des Klägers sein. Das Schreiben war mit folgender Rechtsfolgenbelehrung versehen:
„Wenn Sie ohne wichtigen Grund dieser Aufforderung nicht nachkommen, tritt eine Sperrzeit ein (Sperrzeit bei Meldeversäumnis; § 159 Abs. 1 Nr. 6 SGB III). Die Sperrzeit dauert eine Woche. Während der Dauer der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Leistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenbeihilfe, Teilarbeitslosengeld), das heißt, dass Leistungen nicht gezahlt werden. Ihre Anspruchsdauer mindert sich um die Tage der Sperrzeit.
Hinweise dazu, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben wird und wann eine Sperrzeit eintritt, enthält das „Merkblatt für Arbeitslose, Ihre Rechte - Ihre Pflichten“.
Erfüllen Sie die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit, so kann diese, wenn Sie außerdem Arbeitslosengeld II erhalten, zu dessen Minderung gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch führen.“
Der Kläger erschien zu dem Termin am 18. Juni 2014 nicht. Die Beklagte zahlte ihm hierauf für Juni 2014 zunächst einen um eine Woche gekürzten Betrag aus. Sodann hob sie durch Bescheid vom 2. Juli 2014 die erfolgte Bewilligung von Alg für den streitbefangenen Zeitraum nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und § 330 Abs. 3 SGB III auf, da aufgrund des Meldeversäumnisses eine Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III eingetreten sei (vgl. auch Änderungsbescheid vom 4. Juli 2014).
Der Kläger erhob am 4. Juli 2014 Widerspruch. Er habe den Termin des Gesprächs versehentlich falsch im Kalender eingetragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe gegen seine Pflichten aus § 309 SGB III verstoßen. Dies rechtfertige den Eintritt einer Sperrzeit. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III habe nicht vorgelegen. Der fehlerhafte Eintrag des Termins im Kalender beruhe auf einem Verschulden des Klägers. Dieser sei im Übrigen hinreichend über die Rechtsfolgen eines etwaigen Fernbleibens belehrt worden.
Der Kläger hat am 28. Juli 2014 vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er habe den Meldetermin nicht schuldhaft versäumt. Daher sei die Beklagte nicht zur Kürzung des Alg berechtigt gewesen. Er wisse nicht, wie er seinen Lebensunterhalt sicherstellen solle und könne bestehende Unterhaltsverpflichtungen nicht erfüllen.
Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss vom 6. August 2014 abgelehnt (Aktenzeichen S 9 AL 138/14 ER).
Durch Urteil vom 29. August 2016 hat das SG die Bescheide der Beklagten vom 2. und 4. Juli 2014 teilweise aufgehoben. Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit hätten nicht vorgelegen, da der Kläger nicht ordnungsgemäß über die Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses belehrt worden sei. Es sei ...